Wird Selbsthilfe als Sanierungsziel anerkannt?

■ Immobilienfirma bootete mit höherem Angebot Selbsthilfesanierer beim Häuserkauf aus/ Das Bezirksamt Kreuzberg besteht auf Verkauf des Hauses an eine Selbsthilfegruppe/ Die Stadtplanungsabteilung des Senats will dabei nicht mitziehen

Kreuzberg. Kaum zu glauben, aber wahr: Während die gesamte Stadtplanerszene einschließlich Hausbesetzer nur noch Ost-Berlin im Auge haben, finden auch im Berliner Westen Entscheidungen statt, die für die gesamte Stadt präjudizierenden Charakter haben könnten. Es geht um die Frage, ob die Sanierung und Instandsetzung eines Hauses in Selbsthilfe als zwingendes Sanierungsziel festgelegt werden kann oder nicht.

Stein des Anstoßes für die anstehende Entscheidung ist ein Haus am Fraenkelufer in Kreuzberg 36. Seit Jahren versucht ein Großteil der Mieter, das Haus von einer Erbengemeinschaft zu erwerben, um es, wie die übrigen Häuser des Blocks auch, in Selbsthilfe instand zu setzen. Eine entsprechende Planung des Sanierungsträgers S.T.E.R.N lag seit langem vor, Erneuerungskommission und Bezirksamt unterstützen das Vorhaben. Das Problem begann, als im Juli letzten Jahres, unmittelbar vor Unterzeichnung des Kaufvertrages, die Spekulantengruppe Teubner und Becher von dem Verkauf Wind bekam und die Mieter durch ein erheblich höheres Angebot an die Erbengemeinschaft ausbootete. So weit, so schlecht, doch bis heute wurden Teubner und Becher mit ihrer Neuerwerbung nicht glücklich. Die Mieter gaben nicht auf, und der Bezirk besann sich auf seine Kompetenzen bei Immobilienhändeln im Sanierungsgebiet. Mit der Begründung, das Ziel der Sanierung in dem Block, zu dem das Haus Fraenkelufer 22 gehört, sei die Selbsthilfe der kaufwilligen Bewohner, wurde die Zustimmung zum Kaufvertrag von Teubner und Becher verweigert. Seitdem ist der Vertrag schwebend unwirksam, und die Erbengemeinschaft wartet vergeblich auf ihr Geld.

Gerade angesichts des bevorstehenden Verdrängungswettbewerbs im plötzlich zur Innenstadt mutierten Kreuzberg will das Bezirksamt hart bleiben und den Fall exemplarisch durchkämpfen. Auf Antrag der AL wurde der Hauskauf in der Bezirksverordnetenversammlung diskutiert und soll demnächst abgestimmt werden.

Die eigentliche Entscheidung liegt allerdings bei der Senatsbauverwaltung, da das Spekulantenduo gegen die Bezirksamtsentscheidung erwartungsgemäß Widerspruch einlegte. Gefordert ist nun der ehemalige S.T.E.R.N-Koordinator Fuderholz, der mit Antritt des rot-grünen Senats zum Leiter der Abteilung Stadtentwicklung und Stadterneuerung avancierte. Angeblich soll in dieser Woche noch über den Widerspruch von Teubner und Becher entschieden werden — Insider vermuten, gegen den Bezirk und die Mieter. Der Grund dafür ist ziemlich simpel: Der zuständige Sachbearbeiter Scholz hält nicht viel von Selbsthilfe, und Fuderholz selbst ist — siehe oben — mit dem Osten der Stadt beschäftigt. Vielleicht wird dem Senat aber noch rechtzeitig klar, daß Selbsthilfe auch zur Sanierung des maroden Prenzlauer Bergs ein entscheidender Faktor werden kann. GJ