Der Fall Kowalewski

■ Wie Dioxin als Wirtschaftsgut nach Polen kam/ Protest der Bauern gegen eine Verbrennungsanlage in Slubowo

Die Zollbehörden ahnten nichts Böses, als vor zwei Jahren ein Güterzug mit 160 Tonnen „chemischer Wirtschaftsgüter“ aus Norddeutschland die Grenze überquerte: Zu den „Wirtschaftsgütern“ gehörte das Seveso-Gift Dioxin. Geschickt hatte den Güterzug Klaus Peter Kowalewski, stolzer Besitzer einer „Recycling-Firma“ in Nachrodt-Wieblingwerde. Empfänger war die staatliche Chemiefirma Prodryn in Chorzow bei Katowice. Ihr hatte Kowalewski zuerst ein höchst attraktives Geschäft vorgeschlagen: Er würde Substanzen liefern, aus denen Prodryn Methylenchlorid herausanalysieren könnte. Die Katowicer Firma wollte dies zur Herstellung von Reinigungsmitteln verwenden. „Die ersten Proben waren überaus vielversprechend — von einer Reinheit, daß wir fast nichts herausdestillieren mußten“, erinnert sich Prodryn- Chef Hensel im nachhinein. In den 160 Tonnen aber fand das Institut für Physik und Kerntechnik der Bergbau-Akademie von Krakow Dioxine und andere giftige Substanzen. Hensel wurde wegen Verstoßes gegen das Giftmüll-Importverbot von 1989 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seither stehen die teilweise lecken Behälter in Katowice herum, wo jetzt ein Bunker für sie gebaut werden soll. Katowicer Umweltschützer bemühen sich, das Zeug wieder loszuwerden, schrieben den Bürgermeister, die Staatsanwaltschaft und die Presse von Nachrodt an, doch es hilft nichts: Kowalewski, der nur für 34 Tonnen des Giftmülls die nach deutschem Recht vorgeschriebenen Abfallbegleitscheine beigelegt hatte, ist nicht einmal zur Rücknahme der geschmuggelten Tonnen verpflichtet.

Den Plan, sie in eine militärische Verbrennungsanlage nach Slubowo in Nordpolen zu bringen, ließen die Behörden wieder fallen — die Anlage war gerade von aufgebrachten Bauern unter Anleitung ihres Bürgermeisters demoliert worden. Dort hatte man Giftmüll verbrennen wollen, den die Wiener „Industrieabfallverwertung GmbH“ zwei Jahre zuvor nach Polen geschafft hatte. Teile der 2.000—Tonnen-Lieferung waren über ein Ehepaar Dogor nach Polen gekommen und an verschiedene Handwerker gegangen, die versuchten, aus den Farb-Lackresten das Beste zu machen. Ein Arbeiter bezahlte den Versuch mit dem Leben, als ihm beim Büchsenauskratzen plötzlich der ganze Schuppen um die Ohren flog.

Kaum eine Woche vergeht, in der die Umweltpolizei PIOS nicht von einem neuen Müllschmuggelversuch erfährt, mal kaputte Kühlschränke, mal Autowracks, mal Klinikrückstände. Ein Güterzug voll radioaktiven Mülls aus dem AKW Greifswald, dessen Annahme von den sowjetischen Zöllnern abgelehnt wurde, wanderte tagelang durch Polen. Die polnische Zollverwaltung erfuhr davon von Szczeciner Eisenbahnern. Klaus Bachmann