Giftmüll-Export nach Polen:
: Der Müll geht weiter nach Osten

■ Greenpeace hat 64 Fälle dokumentiert, in denen Westfirmen ihren Giftmüll nach Polen zu exportieren suchten. Die Hälfte der skandalösen Fälle betrifft deutsche Firmen.

Die Länder des ehemaligen Ostblocks, besonders Polen, werden bevorzugte Ziele von Internationalem Giftmülltransport. In einer Liste von 64 Exportprojekten, die die Umweltschutzorganisation Greenpeace zusammengestellt hat, stammen 29 aus der Bundesrepublik und West-Berlin. Die BASF in Ludwigshafen, die Berliner Bewag, die Hoechst AG und die Thyssen- Stahl-AG werden in dem 42seitigen Greenpeace-Dokument namentlich aufgeführt, das die erfolgreichen oder mißlungenen Versuche, sich giftigen Abfalls jenseits der Oder zu entledigen, von 113 Firmen auflistet.

Greenpeace beobachtete in den letzten beiden Jahren einen verstärkten Trend, in der Bundesrepublik schwer entsorgbare oder nur aufwendig und teuer wiederverwertbare Stoffe nach Polen zu liefern und, zum Teil als „Wirtschaftsgüter“ deklariert, polnischen Firmen anzudrehen. 12 westeuropäische Länder und die USA als Absender solcher Mogelpackungen stehen in der Dokumentation. Meistens bedienen sich große Konzerne, die einen Ruf zu verlieren haben, aber dennoch den Weg des geringsten Widerstandes bei der Abfallbeseitigung gehen wollen, zudem kleiner Zwischenhändler, „die nach der Transaktion den Namen wechseln oder einfach verschwinden“, erklärt ein Greenpeace- Experte. Briefkastenfirmen in der Schweiz, teilweise kriminelle Zwischenhändler in der Bundesrepublik, von Interpol gesuchte Schmuggler in Österreich, würden zwischen die tatsächlichen Müllerzeuger und die oft ahnungslosen Abnehmer in Osteuropa zwischengeschaltet.

Osteuropa werde dabei als Zielort nicht nur wegen der nunmehr offener gewordenen Grenzen angepeilt, sondern vor allem wegen der niedrigeren Entsorgungskosten. Nicht selten ließen sich die Müllhändler auch noch für diese Art der Entsorgung bezahlen, wenn sie den Müll als „Wirtschaftsgut“ deklarierten. Oft allerdings wüßten etwa polnische Firmen, auf was sie sich einließen, und sähen den bezahlten Import als Devisenquelle an. Beliebt sei auch, sich für solche Geschäfte ein ökologisches Tarnschild umzuhängen: Offizielle Begründung für das „Müll- Dumping“ sei dann, man wolle in den Ländern neue Recycling-Methoden einführen. Ein Teil wird dann tatsächlich wiederverwertet, doch die zurückbleibenden Reststoffe sind oft giftig — die Abnehmer stehen dem Problem dann ratlos gegenüber.

Greenpeace fordert daher nicht nur pauschale Exportverbote für alle westeuropäischen Länder, sondern auch genaue Regelungen, die ein Umgehen dieser Verbote unmöglich machen sollen. Ziel ist dabei die EG. Die Komission der Europäischen Gemeinschaft bereitet zur Zeit eine neue EG-Richtlinie zum Müllexport, die für alle Mitgliedsländer verbindlich werden soll, auch wenn sie von diesen nicht in die nationale Gesetzgebung aufgenommen wird. Bisher hat kein Land der EG wirklich wirksame Exportbeschränkungen für Giftmüll. „Nach außen hin verurteilen natürlich alle den Giftmüllexport“, meint ein Greenpeace-Vertreter, „aber sieht man sich die Gesetzgebung an, so sieht man, daß sie heimlich alle ein Auge zudrücken.“ Diese Haltung zeigt Wirkung: Insgesamt 22 Millionen Tonnen Giftmüll wurden in den letzten zwei Jahren Polen angeboten. Angekommen sind davon immerhin 46.000 Tonnen, darunter PCB-haltige Öle, Dioxine, Atommüll, Farbreste, Müll aus chemischen Reinigungen und kontaminierte Klinikabfälle. Das allerdings sei nur die Spitze eines Eisbergs, vermuten Experten, wie immer in solchen Fällen gebe es eine entsprechend hohe Dunkelziffer. Klaus Bachmann, Warschau