Nur Trennwände wurden eingerissen

■ Der Flughafen Schönefeld wartet auf bessere Zeiten/ Viele Flüge nach Osteuropa gestrichen

Schönefeld. Auf Kisten, Koffern und Pappkartons sitzen die VietnamesInnen und warten auf den Abflug nach Hanoi. Die Abfertigungshalle Flughafen-Schönefeld ist voll, es herrscht ein Gewimmel wie auf einem richtigen internationalen Flughafen. Aber der Eindruck täuscht. »Wir haben zur Zeit einen Rückgang von 30 Prozent der Check-ins«, sagt der Abfertigungsleiter Hans Herbert Führer. Viele Flüge in die osteuropäischen Staaten, nach Bulgarien, Rumänien und in die Sowjetunion mußten gestrichen werden, die DDR-Bürger zieht es nach Westen und nicht mit dem Flugzeug in den Osten. Nur die Heimkehrflüge nach Vietnam und Kuba sind drastisch angestiegen, eine kurzfristige Konjunktur, der Flughafen profitiert vom Elend der DDR-Industrie, vom vorzeitigen Rausschmiß von zigtausenden ausländischen Arbeitern.

Die Stimmung der Vietnamesen ist gedrückt, und korrespondierend grau und trist wirkt die Atmosphäre des Flughafens. Hier stehen angerostete Gepäckwagen, dort Metallaschenbecher, im Schalterraum weit und breit keine Sitzgelegenheit, alles wirkt, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Ist denn außer einiger westlicher Werbung, den Taxisschlangen vor der Tür und dem durchgehenden Busverkehr nach Tegel alles beim alten geblieben.

Nicht ganz. Geändert wurden die Abferigungsmodalitäten, die strikte Trennung von Abflügen ins kapitalistische Ausland und in die befreundeten sozialistischen Ländern. Früher wurden die Pasagiere nach dem Check-in in gesonderte Transiträume geschleust, Sektion B galt für kapitalistische, Sektion C für sozialistische Flugziele. Jetzt ist die Trennmauer zwischen den Sektionen eingerissen, es gibt nur noch einen Transitraum für alle. »Das Ganze macht unsere Arbeit in der Abfertigung erheblich leichter«, sagt eine Flughafenangestellte, »früher brauchte man tausend Listen, besonders bei der Paßkontrolle«. Die fallen jetzt weg. Die Abfertigung besteht nur noch aus »ganz normalem« Check-in, Paß- und Sicherheitskontrolle. Die Normalisierung als Beitrag zur Humanisierung des Arbeitsleben.

Auch WestberlinerInnen werden in Schönefeld nicht mehr gesondert behandelt. Vom Zentralen Omnibusbahnhof am ICC direkt mit Sonderbussen zum Flughafen Schönefeld gekarrt, mußten sie knapp fünf Jahre lang in dem modernen Anbau der Westberlin-Abfertigung gesondert Schlange stehen. Abfertigungsleiter Führer gibt dafür nur organisatorische Gründe an: Sie habe den WestberlinerInnen eine Grenzkontrolle erspart und damit den Verkehr von Westberlin nach Schönefeld flüssiger gestaltet.

In der früheren Westberlin-Abfertigung, dem Terminal B, sind heute westliche Reisebüros und Autovermietungen untergebracht. Abgefertigt werden hier Charterflüge und sogenannte »Risikoflüge«, wie die der israelischen Fluggesellschaft ElAl. Die ElAl ist eine der Fluggesellschaften, die neuerdings Schönefeld anfliegen. Viele von ihnen, wie die Singapore Airlines, setzen auf die Zukunft. Sie wollen sich jetzt Marktvorteile sichern und kalkulieren mit dem steigenden Fernweh der DDR- BürgerInnen in einigen Jahren. Dennoch gleichen die neuen Fluglinien den Verlust an Flügen nach Osteuropa noch lange nicht aus. sao