Post-revolutionäre Zeit

■ betr.: Un-Gebührliche Postsacher

betr.: Un-gebührliche Postsache

[...] Neben den regierenden Politikern hat im letzten halben Jahr nur noch eine Institution mein Gemüt in Wallung versetzt. Ich rede von der (Deutschen) Post. Als Student im Internat bin ich, um Kontakte aufrecht zu erhalten, aufs Briefeschreiben angewiesen. Bei 75 DM monatlichem Taschengeld und einem Brief pro Tag geht sage und schreibe ein Viertel des Monatsgeldes für Post-Service-Angelegenheiten drauf. Ab Januar wird es sogar der doppelte Betrag sein. Dabei will ich Päckchen und Paketsendungen überhaupt nicht erwähnen, die aufgrund von Markbeträgen unerschwinglich werden. Dazu kommt die unverständliche Relation der Tarife für Briefe und Drucksachen. Wenn eine Drucksache teurer als ein Brief ist, wird wohl kaum Interesse an dieser Form der Übermittlung bestehen. [...]

Nicht einmal eine alternative Kommunikationsmöglichkeit gibt es gegenwärtig. Die Telefonverbindungen sind in vielen Landesteilen unter aller Würde. [...] Die Tarife sind aber um 100 Prozent gestiegen. Die Grenze des Zumutbaren ist aber dann erreicht, wenn — wie in Pasewalk-Ost — gleich in mehreren Fernsprechzellen nur noch der Geldeinwurfmechanismus, nicht aber das Zustandekommen einer Verbindung oder gar die Geldrückgabe funktioniert. Dann erscheint — wahrscheinlich um die Gemüter zu besänftigen — eine Meldung in den Zeitungen, die Beförderung von Briefen würde bald nur noch zwei Tage dauern. Was soll dieses Theater? Meine Briefe waren schon in den letzten Jahren meistens einen Tag unterwegs (trotz Stasi-Kontrollen in den Postämtern).

Dazu kommen die fast täglich die Briefkästen füllenden unerwünschten, lästigen Postwurfsendungen. Vermutlich bezahle ich als Kunde diese Unverfrorenheit von Absendern und Post noch mit...

Herr (Bundes-)Postminister, ich sehe schwarz, aber Sie vermutlich nur den Schilling des auf die Post angewiesenen Kunden. Sie spielen ein mieses Spiel.

Da sollen über 1.000 Studiotechniker von der Post entlassen werden, während die Postoberen absahnen. Wo sind wir hingekommen, wenn ein Multimillionär und skrupelloser Unternehmer wie Herr Schwarz- Schilling (Firma „Sonnenschein“, Berlin) und seine DDR-Marionetten, die ebenfalls keine Existenzsorgen kennen dürften, den von seiner Partei suggerierten Wohlstand vieler Postangestellter in einen Arbeitsan- stand verwandeln können? Und wer macht heute noch seinen Mund auf und greift zur Feder?

Wir sollen für Postleistungen noch tiefer in die (fast) leeren Taschen greifen, während die Bundespost einen Jahresgewinn von 1,3 Milliarden DM feiern kann. Ich kann meine Pakete auch selbst abholen, meinetwegen braucht die Umwelt nicht mit Abgasen der Zustellfahrzeuge belastet werden. Wozu muß ich, der an Telecom und Telefon desinteressiert ist, diese Vorhaben mitfinanzieren? Wozu höhere Fernsehgebühren akzeptieren, während über meine Heimatfernsehanstalt (DFF) das Todesurteil gesprochen werden soll?

Mit dem Bild des Postsymbols meine ich: Denen muß mal kräftig der Marsch geblasen werden, damit es endlich funkt. Aber, so lautet eine Liedzeile: „...wo der Bedarf den Markt regiert, ist alles schon legalisiert...“ Eben auch willkürliche Preisbildung. Wir leben eben in einer post-revolutionären Zeit... Jens-Uwe Hensel,

Falkenberg/Pasewalk