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Aktionen jenseits von Schweiß

■ Das 3:1 von Bochum ist ein weiterer Schritt bei dem Versuch, sich von einem Mythos freizuspielen, während Leverkusen — wider alle Logik — langsam einen solchen am Hals hat

Bochum (taz) — Es sind Spiele wie diese 90 Minuten am Samstag, die den Mythos des VfL Bochum immer weiter fortschreiben. Die ewig gleiche Geschichte vom ewig kleinen VfL, der brav und tapfer darum kämpft einfach nur dabei bleiben zu dürfen, der sich wacker gegen die Großen zur Wehr setzt und sie — gleich David — ab und an zur Strecke bringt. Eine Geschichte, die allerdings im wirklichen Leben, im wöchentlichen Vollzug nur selten Charme hat und längst zur stereotypen Vertuschung der Mittelmäßigkeit geworden ist.

Aber: Nach diesem Sieg wird genau das wieder erzielt werden, denn er hatte all die Ingredienzen, die in dieser Geschichte gebraucht werden: Die häufig letzte Kraft, mit der Bayer Leverkusen, einer der Meisterschaftsfavoriten, gerade noch gestoppt wird; frenetische Taklings, Leiber die sich in Flugbahnen werfen; spitze Schreie von den Tribünen und pochende Herzen; Befreiungsschläge des VfL, der sich verzweifelt an seine Führung klammert; ein sofort von Bayer abgefangener Konter und ein Schuß, der gerade eben von der Linie gekratzt wird; sehnsüchtige Blicke zum Schiedsrichter.

Und dann ein weiter Ball über den Kopf den letzten Bayer-Verteidigers und die beiden Bewegungen des Stefan Kohn: Das Annehmen des Balles und der Schuß. Das Tor, das 3:1, die Entscheidung. Der Sieg des Außenseiters.

Der Schluß war dramatisch, mitreisend und leidenschaftlich. Aber das war eben nur der klassische VfL gewesen: zwanzig Jahre Bundesligakampf. Die bemerkenswerten, hoffnungsvollen Situationen waren andere. Der Doppelpaß etwa zwischen Peschel und Legat, die Hereingabe von Peschel und das 2:1 von Kohn — ein erstklassig herausgespieltes Tor. Oder die schönen Kombinationen in den ersten 20 Minuten, in der die Bayern-Abwehr um den überragenden Thomas Höster ein paarmal ausgehebelt wurde.

Es gab also wiederum Momente von gutem Fußball, den zu spielen Trainer Rainer Saftig seiner Mannschaft beharrlich beizubringen versucht — einen Fußball jenseits von Schweiß, der hilft, aus dem Schatten des Mythos zu treten. Bayer hatte vielleicht das umgekehrte Problem: sich zu sehr im Schweißlosen aufhalten zu wollen. Trotz des bedingungslosen Einsatzwillens von Ulf Kirsten, dem furiosen Tempo des Andreas Thom (dessen frappierende Ähnlichkeit mit taz-Mitarbeiter Bernd Müllender hier nicht länger verschwiegen werden soll) und der deutlichen spielerischen Überlegenheit wirkte die Mannschaft nur wirklich selten torgefählich.

Vielleicht kickt sich Bayer Leverkusen auch langsam einen eigenen Mythos zurecht. Eine Geschichte von hohen Ambitionen, von gutem Arbeiten, vom Richtigmachen und doch Scheitern könnte das werden. Alles sieht logisch und folgerichtig aus in Leverkusen, gut geplant und ausgedacht, doch dann funktioniert es irgendwie nicht. Da stürzen die Spieler in den letzten zehn Minuten nach vorne und wollen den einen Punkt noch retten. Wenigstens einen noch. Und Martin Kree bombt aus der Ferne, und Andreas Thom umkurvt noch drei Verteidiger, und Ulf Kirsten fliegt in eine Flanke von Knut Reinhardt. Und dann zieht ein Bochumer links davon, die Flanke, der Schuß, und Vollborn ist geschlagen.

Das kann doch nicht nur Zufall sein! Christoph Biermann

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