Stromkonzerne bald auf der Sonnenseite?

Selbst die Atombranche flirtet mit der Solarenergie/ Regenerative Energiequellen an der Kippe zur Marktwirtschaft  ■ Von Wolfgang König

Als Motto des 7. Internationalen Sonnenforums in Frankfurt/Main hatte die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) den langatmigen Titel „Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen im regionalen und kommunalen Bereich — Welchen Beitrag können sie zur Abwehr der Klimabedrohung leisten?“ gewählt. Offensichtlich sollte die Klimadiskussion eine größere öffentliche Resonanz der Tagung herbeiführen. Dementsprechend breit gefächert war auch das Themenspektrum, das weit über den Bereich der Solartechnik hinausging. So wurde fast alles vorgestellt, was sich noch irgendwie unter dem Thema regenerative Energiequellen und rationelle Energieverwendung subsummieren ließ. Von Grundlagenforschung in der Solarzellenfertigung über Biogasanlagen, Windenergiegeneratoren, Wärmepumpensysteme, Wirkungsgraduntersuchungen komplexer Systeme, Kleinstsysteme für Anwendungen in Dritte-Welt-Ländern, Bastelanleitungen für Solarsysteme, Wasserstofferzeugung und -transport, bis hin zu Szenarien zukünftiger Energieversorgungsstrukturen.

Eine verwirrende Vielfalt, die sich im ständig wachsenden Umfang der den Kongreß begleitenden Tagungsberichte widerspiegelte. In mittlerweile drei Bänden mit 2.500 Seiten und insgesamt 303 veröffentlichten Beiträgen läßt sich nachlesen, was in den über 100 teilweise parellel stattfindenden Vorträgen hektisch heruntergeleiert wurde. Jeder Besucher, der nicht ein spezielles Interesse mitbrachte, wurde schon nach kurzer Zeit von der Themenfülle erdrückt.

Riesenhuber bleibt der Atomindustrie treu

Das die DGS mit ihren 3.600 Mitgliedern nach mittlerweile 17jähriger Arbeit längst nicht mehr das Image einer Latzhosenvereinigung hat, sondern im nationalen Maßstab eine feste Größe als Vermittlungs- und Koordinationsinstanz zwischen Forschern und Anwendern einerseits und politischen Entscheidungsträgern und Geldgebern andererseits ist, zeigte sich insbesondere in der Eröffnungsveranstaltung. Nach achtjährigem Versuch war es endlich gelungen, Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber zur Teilnahme zu bewegen. Das Glück angesichts dieses Gnadenerweises war dem Vorsitzenden des DGS, H. Selzer, deutlich anzusehen. Seine Kritik der praktizierten Forschungspolitik, insbesondere der nach wie vor mangelhaften finanziellen Unterstützung regenerativer Energien, fiel eher zahnlos aus, so daß Riesenhuber einer Auseinandersetzung leicht aus dem Weg gehen konnte.

Ein interessierter Zuhörer wäre von der Sachkenntnis des Ministers selbst in partikularen Forschungsbereichen fasziniert und von der Menge und Breite der geförderten Projekte beeindruckt gewesen. In Wirklichkeit plädierte Riesenhuber für Atom- und Fusionsreaktoren, setzte auf Energiesparen, um dann doch noch bei den vom BMFT-geförderten Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien zu landen. Mit denen soll es unter anderem irgendwie gelingen, eine 25prozentige Reduzierung der CO2-Emission bis zum Jahr 2005 zu erzielen. Aber Riesenhuber ritt auch sein Steckenpferd, die Grundlagenforschung, diesmal im Bereich der Solarzellenfertigung zur Wirkungsgraderhöhung und weiteren Kostendegression. Außerdem regte er die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle (die der Stromerzeugung aus beispielsweise solarem Wasserstoff dient), die Neu- und Weiterentwicklung von Motoren (z.B. Rapsmotor), die geeignet sind die sogenannten nachwachsenden Rohstoffe, wie Zucker, zu verbrennen. Auch das „1.000-Dächer-Programm“, das vereinigungsbedingt eine Erweiterung auf 2.250 Solarstrom erzeugende Dächer erfahren soll, wurde genannt, ebenso wie der Ausbau des Solarautoprogramms.

Der Wunsch nach praktischer Umsetzung alternativer Konzepte fand in der relativ großen Anzahl von Vorträgen mit kommunalen Aspekten seinen Ausdruck. In diesem Bereich wird mittlerweile auch aus Kostengründen versucht, eine Wende zur ökologischeren Energiepolitik einzuleiten. Die zu diesem Zweck dargestellten Beiträge befaßten sich hauptsächlich mit Bestandsaufnahme und Bedarfsprognosen der regionalen Versorgungsstrukturen. Schwerpunkte der kommunalen Konzepte sind Wärmedämmung im Baubereich, Einsatz von gasversorgten Blockheizkraftwerken zur Kraft/Wärme-Kopplung und Energiespar- und -beratungsmaßnahmen. Die Ausstattung von städtischen Bädern mit Solarkollektoren zur Warmwassererzeugung beziehungsweise Freibadbeheizung war hier ein häufig dargestelltes Beispiel.

Erfreulicherweise beschäftigte sich ein beträchtlicher Teil der Beiträge mit sogenannten Umsetzungsstrategien zur breiten Markteinführung von regenerativen Energien, speziell der Solarenergie. Im Gegensatz zur herrschenden Forschungs- und Förderungspolitik, die einem wirtschaftsliberalistisch freien Spiel des Marktes vertraut, wird dort versucht sogenannte Einführungsmärkte zu schaffen, aus denen anschließend ein Durchbruch mit wirtschaftlich relevanten Installationszahlen möglich ist. Beispiel hierfür ist das sogenannte Megawattprojekt in Berlin, das von der Einsicht ausgeht, das Solaranlagen mit Stromgestehungskosten von 1,50 bis 2 D-Mark pro Kilowattstunde keine marktwirtschaftliche Bedeutung gewinnen können, auch wenn man sie zu Tode fördert.

Energieversorgungs- unternehmen mischen sich

Da jedoch der Strom von den Energieversorgungsunternehmen (EVU) in der Industrie in den Spitzenverbrauchszeiten sehr teuer verkauft wird (mehr als 50 Pfennig pro Kilowattstunde) müßte ein Einsatz der Solarenergie, zumal bei sinkenden Zellenpreisen, in Spitzenlastzeiten den Solarstrom in die Rentabilitätszone bringen. Zugleich wurden in einer ersten Studie die geeignetsten Standorte, zum Beispiel Kühlhäuser, ermittelt, da diese spezifische Auswahl wesentlich mehr praktische Bedeutung erlangen wird, als eine wahllose Anwendung unter reinen Demonstrationsgründen.

Anhand dieser Überlegungen wird ein weiterer Aspekt deutlich, den sich die EVUs bisher als Gegenargument gegen die regenerativen Energien zu eigen machten. In der Praxis, speziell in industriellen Anwendungen, spielt die Versorgungssicherheit ein große Rolle. Diese ist aufgrund der launischen Eigenschaften von Wind, Sonne etc. einerseits und des Bedarfs andererseits nicht ohne weiteres vorauszusetzen. Diesen Schwierigkeiten versuchen die Forscher und Planer in vielfätiger Weise entgegenzuwirken. Komplexere Systeme mit verschiedenen Erzeugertypen (Beispiel Anlage Fehmarn: Sonne, Wind und Biogasanwendung), ausgefeilte Steuerungssysteme und nicht zuletzt die Arbeit an Speichersystemen, besonders für Strom, dienen der Verringerung der Abhängigkeit von den diskontinuierlichen Prozessen.

Nach wie vor jedoch kämpft die Solarenergie gegen die niedrigen Strompreise an, die durch das Kartell der großen Strommonopolisten bestimmt werden. Solange keine ökologischen Folgekosten in den Strompreis einbezogen werden, können die regenerativen Energien moralisch zwar eine ökologische Überlegenheit reklamieren, sich praktisch aber wegen ihrer hohen Investitionskosten (bei steigenden Kapitalkosten), am Markt nicht durchsetzen.

Mittlerweile betreiben auch die großen EVUs mächtige Forschungsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien (Beispiele Solaranlagen in Kobern-Gondorf und Neuenburg vorm Wald), nach dem sie jahrelang jeden Gedanken zur Umgestaltung der Energiewirtschaft als nicht-praktikable Ökospinnerei abtaten. Auch Firmen wie Nukem und Interatom scheuten sich nicht auf dieser Tagung aufzutreten, die sich bisher in anderer Weise hervortaten. Ökologische Projekte haben eben inzwischen einen bedeutenden Stellenwert in der Selbstdarstellung der Unternehmen erreicht. Außerdem erzielen verschiedene Produkte, wie komplette Solaranlagen schon heute wirtschaftlich bedeutsame Umsätze. Der marktwirtschafliche Durchbruch der regenerativen Energien, insbesondere durch sich zuspitzende ökologische Probleme, ist nicht mehr so weit entfernt, wie größtenteils angenommen.

Insofern stehen die großen Konzernen in Lauerstellung, um die Früchte der Arbeit zu ernten, die viele Teilnehmer der Tagung und die anderen engagierten Menschen bereits seit langer Zeit ohne Profithintergrund leisten.