Zwischen Schminke und Schweiß

■ Beim Weltcup-Finale der Rhythmischen Sportgymnastinnen zählt nicht nur die Leistung: Schönheit und „Weiblichkeit“ ist Trumpf, die Turnerin als perfekt zurechtgemachter Augenschmaus für Publikum und Jury

Berlin (taz) — Kein Löckchen, keine Strähne darf da falsch sitzen. Ewigkeiten vergehen vor dem Spiegel, wenn sich eine Gymnastin „zurecht“ macht. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es da kaum. Die Gymnastinnen aus dem Osten zeigen sich höchstens „engagierter“: Da wird hin und hergeschminkt, tausendmal gekämmt — fürs Publikum und Kampfrichterinnen. Bleiche Wangen bekommen Farbe, dunkle Augen werden hell, kindliche Gesichter wirken „erwachsen“. Bei jeder Übung gibt es selbstverständlich einen neuen Anzug.

Ob das nur rund um den Wettkampf so geschieht? Auch danach achten die Gymnastinnen auf ihr Äußeres, wissen, wie sie sich vor einer Kamera zu postieren haben, reichen sich gegenseitig ihre Pocketkameras, um auch wirklich jeden Moment ihrer Modenschau festhalten zu können. Beobachtungen am Rande eines Turniers.

Wenn am kommenden Wochenende das Weltcup-Finale in der Rhythmischen Sportgymnastik in Brüssel ausgetragen wird, ist das Schönheitszeremoniell vor und nach den Darbietungen Routine. Gleichwohl läßt sich die Jury davon beeinflussen: Sitzt der „Dutt“ richtig, ist das Zöpfchen ordentlich, sehen die apfelroten Bäckchen auch natürlich aus oder ist zuviel Blau unter den Augenlidern? Wie passen Gerät und Anzug zusammen? Ein kleines Bewertungskriterium, jedoch nicht unbedeutend. Und wer genau hinsieht, erkennt, daß bei den Spitzengymnastinnen aus Bulgarien und der UdSSR diese Dinge in einem rechten Verhältnis stehen.

Freilich, in erster Linie geht es um die Gymnastik selbst, um Schwierigkeitselemente und Choreographie. Und da haben zur Zeit die sowjetischen Gymnastinnen die Nase ganz weit vorne. Schon seit über einem Jahr ist Alexandra Timoshenko die Nummer eins. Knapp hinter ihr ihre Vereinsgefährtin Oksana Skaldina. Bei so manchem Turnier gibt es schon mal einen Platzwechsel. Konkurrenz unter den beiden? „Njet, wir sind Freundinnen, besuchen das gleiche Training, verbringen gemeinsam unseren Alltag,“ sagen die beiden in Moskau trainierenden 19jährigen.

Und dort wird hart gearbeitet. Der Tag beginnt mit eineinhalb Stunden Choreographie, danach ist Schule. Fünf Stunden Training folgen. Klar, daß sich hierbei kein Gewicht ansetzt: 40 Kilogrämmchen bringt Oksana Skaldina bei einer Körpergröße von 1,58 Meter auf die Waage, 42 kg bei 1,64 Meter Alexandra Timoshenko.

Was die sowjetischen Gymnastinnen von den bulgarischen (noch) unterscheidet, ist vor allem der „weichere“ Stil, anmutiger, sanfter, weniger athletisch. Bei den Gruppenwettbewerben haben allerdings die Bulgarinnen die besseren Karten.

Von den westdeutschen Gymnastinnen ist keine am Start. Für das Weltpokalfinale qualifizieren konnte sich nur eine: die „angeschlossene“ Gymnastin aus der ehemaligen DDR, Silke Neumann. Thomas Schreyer