Abschied vom „K“

Schwedens ehemalige KP hat die Abschaffung des Kapitalismus aus dem Programm gestrichen  ■ Aus Schweden Reinhard Wolff

„Die Abschaffung des Kapitalismus ist damit abgelehnt!“ Die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses über diesen Programmpunkt bedeutete auf dem letzten Parteitag für manch altgedienteN schwedischeN GenossenInnen mehr als nur die Liquidierung der seit Gründertagen zentralen strategischen Perspektiven. Es war so etwas wie die endgültige Vertreibung von Karl Marx aus der Partei — mehr noch als die schon im Frühjahr erfolgte Streichung des „K“ (die Formation heißt nun nur noch „Linkspartei“).

Tatsächlich jedoch hatte die Verabschiedung vom Marxismus ganz unmerklich schon früher begonnen. Etwa, als der, noch in den 70er Jahren selbstverständliche, Schulungsabend auszufallen begann, oder als der dicke Wälzer für die Marxismusschulungen nach 1980 nicht mehr aufgelegt wurde. Die jetzt durchgeführte Totalverschrottung des Marxismus war allerdings ausschließlich von außen aufgezwungen: Von den Ereignissen, die sich südöstlich von Skandinavien abspielten. Von dem dortigen „Oststaatsmodell“ — kein Wort mehr von Sozialismus — hatten sich die schwedischen GenossInnen viel zu spät distanziert. Glückwunsch- und Huldigungsadressen an Honnecker und Ceausescu hatte es seitens der schwedischen KP noch gegeben, als es die italienischen GenossInnen bereits bleiben ließen.

Nach der Reinigung von „K“ und Marx blieben noch elf Leitsätze übrig — mit dürftigen Allerweltsformeln wie „die Linkspartei setzt sich für eine klassenlose Gesellschaft ein“. Nach dem Wie, Wo und Wann durfte man die traditionslos gewordene Mehrheitsbeschafferin für sozialdemokratische Minderheitsregierungen freilich schon vor der letzten kosmetischen Operation nicht fragen.

Dabei war der Bezug auf die marxistische Gesellschaftstheorie in Schweden nie so verpönt wie etwa in der Bundesrepublik. Zu Zeiten, in denen die Andrede „Genosse“ in der SPD schiefe Blicke auslöste, konnte der sozialdemokratische schwedische Ministerpräsident ganz selbstverständlich vom Klassenkampf reden. Das „schwedische Modell“, der „dritte Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ fußte tatsächlich auf einer marxistischen Gesellschaftskritik. Mittlerweile aber ist Marx für die meisten Debattier-Zeitschriften, speziell seit die Partei am Rockzipfel der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ihrerseits immer weit nach rechts driftete, nur noch einer von vielen Nationalökonomen, die Brauchbares produziert haben.

Und vom „dritten Weg“ ist auch nicht mehr die Rede; das „schwedische Modell“ ist heute nur noch etwas für ausländische Soziologen, die die Entwicklung verschlafen haben.