Bundeswehr zur UNO: Alle hinter Kohl

SPD-Abrüstungsexperte sieht „ein wenig Handlungsbedarf in Sachen Aufklärung“ für seine GenossInnen/ Einer Verfassungsänderung steht offensichtlich nichts mehr im Wege/ Auch in der Friedensmission kann geschossen werden  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Man sieht das Interview schon vor sich: „Japan hat entschieden, daß es nun erstmals an UN- Friedensaktionen teilnehmen darf. Warum sollte Deutschland es ihm nicht gleichtun?“ So oder so ähnlich wird Helmut Kohl oder einer der Seinen ganz bald öffentlich argumentieren. Es gilt für sie nämlich, einen seit langem gehegten Wunsch schon Anfang der kommenden Legislaturperiode Wirklichkeit werden zu lassen: Die Verfassung soll so geändert werden, daß künftig auch deutsche Soldaten weltweit bei Krisen eingesetzt werden können.

Eigentlich hätte der Kanzler gern mehr. Ginge es nach ihm, würde das Grundgesetz einfach so ausgelegt, daß militärische Aktionen Deutschlands „out of area“ des bisherigen NATO—Gebietes möglich sind. Die Verfassung so zu interpretieren haben allerdings nur wenige, als regierungstreu bekannte Verfassungsjuristen gewagt. Lieb wäre es Helmut Kohl auch, wenn das Grundgesetz so geändert würde, daß die Bundeswehr auch unabhängig von UNO-Aktionen in Konflikte rund um den Globus eingreifen könnte. Hierfür bekäme der Kanzler allerdings nicht die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament. „Auf absolut gar keinen Fall“, so der SPD—Abrüstungsexperte Hermann Scheer, würden die Sozialdemokraten dies mittragen. Bleibt also dem Bonner Regierungschef, womit er dem Vernehmen nach eigentlich auch ganz zufrieden ist: Eine Grundgesetzänderung, nach der deutsche Soldaten auch an Missionen der UNO teilnehmen dürfen.

Die Sozialdemokraten in Bonn haben schon vor ein paar Monaten klar gesagt, daß sie zustimmen werden. Und inzwischen schält sich heraus, was damals nur zu vermuten war: Die SPD knüpft ihr Ja zu einer Verfassungsänderung nicht mehr an Bedingungen; Helmut Kohl wird seine Verfassung so schnell geändert haben, wie er will.

Zwar behauptete der sozialdemokratische Parteivorsitzende Vogel noch jüngst, das Grundgesetz dürfe nicht isoliert an diesem Punkt geändert werden, sondern nur „bei der Schaffung einer endgültigen Verfassung.“ Außerdem müsse eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung entscheiden.

Der SPD—Kanzlerkandidat Lafontaine gab sich vor einigen Wochen noch vager: Über neue Aufgaben der Friedenssicherung im Rahmen der Vereinten Nationen könne „nur in einem Verfassungsrat nachgedacht“ werden. Es sei, so formulierte er es jüngst im Bundestag, „nicht unbedingt geboten, jetzt schleunigst eine Verfassungsänderung herbeizureden“.

Auch der SPD-Abrüstungsexperte Scheer mag solcherlei nicht als Bedingung seiner Partei für ihr Ja zur Verfassungsänderung verstanden wissen: „Natürlich ist es sinnvoll, die Verfassungsbestimmungen zusammen zu ändern“, so Scheer. Und: „Ohne Diskussion über die inzwischen überflüssige NATO darf das Grundgesetz im Punkt UNO-Beteiligung nicht umgeschrieben werden.“ Darüber hinaus möchte Abrüstungsexperte Scheer ebenfalls nicht gehen.

In der Umgebung des Kanzlers legt man dann wohl auch richtig aus, wie die Sozialdemokraten sich verhalten: Zuversichtlich gehe man in die anstehende parlamentarische Diskussion um eine Grundgesetzänderung, heißt es dort. Und: Die SPD werde ihr sicher und sicher sehr bald zustimmen.

„Ein wenig Handlungsbedarf in Sachen Aufklärung“ sieht Hermann Scheer allerdings vorher noch bei einem Teil seiner GenossInnen. In der Tat: Bei ihnen, wie allgemein, wird das Beharren von SPD und FDP auf einer deutschen Beteiligung lediglich an „UN-Friedensmissionen“ falsche Vorstellungen geprägt haben. Unter UNO-Friedensmission fällt nämlich nicht nur etwa die Überwachung von Wahlen. Beschließt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mehrheitlich, daß dem Irak nur noch mit Waffen beizukommen sei, so könnte die Bundeswehr nach einer Grundgesetzänderung im Golf auch schießen.