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: Diepgen, Gysi und Ozonloch

■ "Ozon", DFF I, MI. 21.30 Uhr / "Disput", DFF II, MI. 21.00 Uhr

Das war doch mal was! Das Umweltmagazin „Ozon“ im Deutschen Fernseh-Funk wird ja richtig aufmüpfig. Die Betulichkeit der letzten Sendungen scheint allmählich einem neuen Stil mit Biß und Courage Platz zu machen. Beispiel: Auto.

Zum ersten Mal rief im deutschsprachigen Fernsehen eine Sendung unverdeckt dazu auf, den Bleifußlobbyisten die Gefolgschaft zu verweigern und statt dessen in den ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland einzutreten. Und damit nichts schiefgeht, wurde auch gleich noch die Anschrift und Telefonnummer des VCD eingeblendet und seine Leistungen vom Abschleppservice bis zum Fußgänger-Rechtschutz hochgelobt. Und VCD-Geschäftsführer Assenmacher erhielt per Interview ausführlich Gelegenheit zur Darstellung des VCD-Konzepts.

Noch giftiger wurde die Kritik bei der Analyse des Stromvertrags, mit dem sich die drei großen Westkonzerne PreussenElektra, RWE und Bayernwerke den Strommarkt der DDR unter den Nagel gerissen haben. Der Mut dieses Beitrags bestand darin, daß sich hier zum ersten Mal wieder jemand traute, die Konzernpolitik mit Begriffen zu attackieren, die — mit dem Stallgeruch des Marxismus behaftet — viele am liebsten gleich mit auf den Müllhaufen der Geschichte werfen würden.

Darf man in „den neuen Bundesländern“ noch von einer ausschließlich auf Profit orientierten Konzernmafia reden? Als Kronzeugen hatte man unverdächtige, westdeutsche kommunale Energiebarone vor die Kamera geholt, die den antiökologischen Kurs der BRD-Konzerne und die möglichen Alternativen aufzeigten. Eine ähnlich direkte, ohne die anstaltsüblichen Windungen formulierte Kritik an der Energiepolitik der BRD-Atomgemeinde war bislang nicht zu hören. Mal gespannt, wie lange sich so viel Engagement und Eindeutigkeit durchhalten läßt. Den „Ozon“-MacherInnen jedenfalls ist noch eine lange Zwischenphase der Narrenfreiheit zu gönnen. Manfred Kriener

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Eine Stunde hatten der Berliner CDU-Landesvorsitzende Diepgen und PDS-Chef Gysi Zeit, miteinander zu streiten, und sie taten es nicht. „Disput“ nennt sich die Sendung, die nun schon zum zehnten Mal Politiker und Anhänger unterschiedlicher Lager im Sendestudio des DFF vereint, um ein kontroverses Thema zu diskutieren. Das hieß am Mittwoch: „Ein erstklassiger Einigungsvertrag und dennoch Bundesbürger zweiter Klasse“ und wurde schnell vergessen. Ohnehin ließ die Dramaturgie der Sendung bis zu dem Punkt, an dem sie alle Akteure, mit Ausnahme des armen Moderators, zu ignorieren begannen, keine ernsthafte Auseinandersetzung zu. Was soll man schon in einer Minute vor dem Hintergrund des rasenden Sekundenzeigers zu einem solch globalen Thema sagen. Diepgen versuchte es mit ein paar moderaten Sprechblasen unter dem Motto: „Gut Ding braucht Weile“ und: „Ohne Fleiß kein Preis“, während Gysi den Juristen rauskehrte, der sehr wohl die im Einigungsvertrag festgeschriebenen Diskriminierungen kennt, sich aber lieber über die Psyche des DDRlers und die fehlende Sensibilität der Westpolitiker im Allgemeinen auslassen will. Überhaupt die Seele, Diepgen sah aus als überlege er die ganze Zeit, ob und wohin er den PDS-Chef nach der Sendung zum Bier einladen kann und der wiederum, als würde sein ganzer Ehrgeiz nur darin liegen, seine Partei so lange am Leben zu erhalten, bis er Manfred Krug bei Schultheiss ablösen darf. Gysi hat keinen Spaß am Regieren und ist es leid, andauernd für eine Politik verantwortlich gemacht zu werden, deren Protagonisten viel öfter mit bundesdeutschen Politikern Sekt getrunken haben, als sie ihm und seinen Genossen von der Tribüne aus zuwinkten. Diepgen erkennt der PDS Bemühen zum sozialen Recycling des Parteivermögens an, will aber trotzdem ein paar Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Partnerbeziehungen bewahrt wissen, wählt zur Erheiterung der anwesenden Ostler den Boom des Taxigewerbes als Vorbild für die Umstrukturierung des östlichen Arbeitsmarktes und — fast eine verkehrspolitische Sensation — empfiehlt die postume Übernahme des grünen DDR-Rechts-Abbiegerpfeils. Bei soviel Eintracht kann es nicht erstaunen, daß dem geladenen Parteivolk schließlich der Kragen platzt und sie an Stelle der Politiker der Wahlkampfrhetorik verfallen. SED-Seilschaften auf der einen und Massenarbeitslosigkeit auf der anderen Seite, am Ende vergessen Gregor und Eberhard den ganzen Zirkus und den hilflosen Moderator und plaudern einträchtig über die kleinen, aber unwesentlichen Unterschiede in den Parteiprogrammen. So nett können Feindschaften, kann deutsche Politik sein. André Meier