KOMMENTAR
: Geld oder Demokratie?

■ Die Koalitionsverhandlungen in Brandenburg

Ampelkoalition in Brandenburg? Neben allen CDU-Siegen in den anderen vier neuen Bundesländern versprach diese Möglichkeit doch zumindest ein wenig Spannung für die kommenden Koalitionsverhandlungen. Alle Fernsehauftritte der Spitzenkandidaten nach den ersten Hochrechnungen am letzten Sonntag abend deuteten zudem darauf hin, daß sowohl Wahlsieger Manfred Stolpe (SPD) als auch Bündnis 90 und FDP sich mit einer solchen Koalition anfreunden könnten. Die sich daran knüpfenden Hoffnungen auf eine bisher noch nicht erprobte Form der Regierungszusammenarbeit hielten vorerst nicht länger als 48 Stunden. Seit Dienstag häufen sich die Anzeichen dafür, daß die SPD sich doch noch anders entscheiden könnte.

Bemerkenswert daran und vordergründig irritierend ist vor allem, daß bei den Koalitionserwägungen der SPD nicht politisch-programmatische Unterschiede der am Bündnis zu beteiligenden Parteien eine wesentliche Rolle spielen — wenn einmal von der ja inzwischen geklärten Personalie Diestel abgesehen wird.

Wenn weder schwierige Sachverhandlungen noch unlösbare Personalprobleme eine Rolle spielen, worum geht es dann? Im Mittelpunkt steht für die SPD und ihren Spitzenkandidaten wohl eine Frage ganz anderer Art, die gewissermaßen quer steht zu unseren (westdeutschen) Interpretationsmustern politischer Bündnisverhandlungen: Kann man, so mag sich Stolpe fragen, mit einer Ampelkoalition gegen einen Sieger (Kohl), gegen eine Bundesregierung, die wesentlich in die Haushaltspolitik des Landes hineinregieren wird, nicht nur politisch bestehen, sondern auch das „Beste für Brandenburg“ (Stolpe) herausholen? Außerdem sind die Parteien nach 40 Jahren Einparteienherrschaft im wesentlichen zu Kopien bundesdeutscher Altparteien geworden, denen der gesellschaftliche Unterbau fehlt. Sie sind Kunstgebilde ohne gewachsene programmatische Differenzen in einer Gesellschaft, die vor allem ein immenses Harmoniebedürfnis eint. Diese Erbschaft macht es, wenn der Schein nicht trügt, neben übertriebener Staatsraison der SPD jetzt so leicht, sich in Richtung einer großen Koalition zu bewegen.

Eine Demokratie jedoch lebt vom Streit, von sich entwickelnden politischen Alternativen. Eine große Koalition ist dagegen immer ein Verlust an Pluralität. Gerade in den Ländern der ehemaligen DDR würde eine solche Koalition ohne Not das Entstehen einer demokratischen Kultur lähmen. Und die SPD hat als Wahlsieger in Brandenburg auch die Verantwortung dafür, daß eine solche Demokratiekultur entsteht. Sie sollte die Politik nicht auf das Verteilen von Staatsknete und das Schielen auf den Bonner Geldhahn reduzieren. Max Thomas Mehr