UNTERM STRICH

Die französische Schauspielerin Delphine Seyrig ist am Montag nach langer Krankheit im Alter von 58 Jahren gestorben. Wegen ihrer Erkrankung mußte die Schauspielerin Anfang September die Saisoneröffnung im Pariser Barrault-Renaud-Theater mit Peter Shaffers Stück „Laetitia“ absagen. Delphine Seyrig, Tochter des französischen Archäologen Henri Seyrig, verschaffte sich in den fünfziger Jahren zunächst als Bühnenschauspielerin internationales Ansehen. 1962 gab sie mit Alain Resnais „Letztes Jahr in Marienbad“ ihr Filmdebüt. Schon im Jahr darauf drehte sie, wieder mit Resnais, „Muriel“. Insgesamt wirkte Delphine Seyrig in über 30 Filmen namhafter Regisseure mit, darunter Luis Bunuel („Der diskrete Charme der Bourgeoisie“), Joseph Losey („Accident“) und Francois Truffaut („Geraubte Küsse“). Auf der Bühne verkörperte sie anfangs vor allem Figuren von Tschechow, Turgenjew, Pirandello und Giraudoux, später wandte sich die perfekt Englisch sprechende Schauspielerin auch dem angelsächsischen Repertoire zu. In den vergangenen Jahren setzte sich Delphine Seyrig besonders für die Rechte der Frauen ein. Sie unterstützte unter anderem die Schaffung eines nach Simone de Beauvoir benannten Dokumentationszentrums für Frauen.

Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gibt es wieder Sorgen um das Geld. Intendant Michael Bogdanov gibt sich pessimistisch: „Die künstlerische Basis des Hauses wurde in den vergangenen acht Jahren ausgehöhlt“. Er spielt darauf an, daß der Etat vor acht Jahren schon 26 Millionen Mark betrug und sich in der laufenden Spielzeit lediglich auf 26,8 Millionen Mark erhöht hat. Unter diesen finanziellen Bedingungen könne man kein Weltstadttheater machen. Schon unter Ivan Nagel (1971-1979) gab es Probleme mit dem Etat. Niels-Peter Rudolph (1980-1985) warf schließlich des Geldes wegen das Handtuch, und Peter Zadek (1985-1989) erging es nicht anders. Demgegenüber zeigte sich der Engländer Michael Bogdanov (51) geradezu todesmutig: Er war bei seinem Amtsantritt zu Beginn der vergangenen Spielzeit damit einverstanden, daß der Etat um 3,2 Millionen Mark gekürzt wurde. Mit einem auf den ersten Blick durchaus verständlichen Konzept wollte er die Einnahmen steigern. „Ich mache mehr Produktionen“, sagte Bogdanov. In der Tat gingen 19 Produktionen über die Bühne, wobei man allerdings berücksichtigen muß, daß Vorgänger Zadek nur eine Inszenierung zur Übernahme hinterließ. Es gab fast 550 Vorstellungen, statt der angestrebten 4,2 Millionen Mark Eigeneinnahmen wurden 140.000 Mark mehr verbucht. Doch viele Produktionen kosten auch viel Geld, insgesamt entstand ein Defizit von 2,3 Millionen Mark. Allein 80 Prozent des Etats verschlingen die Personalkosten. Trotz der mißlichen Finanzlage, mit der sich demnächst der Aufsichtsrat befaßt, will der Intendant von Deutschlands größter Sprechbühne nicht zurücktreten, sondern um das Haus kämpfen. Das hört sich mutig an, doch das sagten ähnlich auch seine Vorgänger, bis sie im Gerangel mit Bürokratie, Ausschüssen, Kulturbehörde und dem anderen „täglichen Kram“ am Ende kapitulierten.

Die „IV. Tage für neue Musik“ in Weingarten (2. bis 4. November) sind dem Komponisten Dieter Schnebel gewidmet, der am 2. Oktober auf Seite eins der taz einen Vorschlag für eine Hymne für das neue Deutschland ausgebreitet hat. Den Eröffnungsvortrag hält Heinz-Klaus Metzger, zu Gehör kommen u.a. Schnebels „Ki-no“, Nachtmusik für Projektoren und Hörer, „Glossolali“ für Sprecher und Instrumentalisten, „Gedankengänge + Ansätze + Redeübungen“.

Auch in diesem Jahr wird es in Berlin und in Potsdam, Dresden, Leipzig, Gera, Jena und Rostock „Tage des sowjetischen Films“ geben. Progress-Film-Verleih und der Verband der Film- und Fernsehschaffenden knüpfen damit an die Tradition der seit 1970 in der DDR veranstalteten „Festivals des sowjetischen Films“ an, die vor allem 1987 und 1988 von der Zensur stark beschnitten worden waren. Ab 25. Oktober werden u.a. zu sehen sein: Eldar Rjasanows Vergessene Melodie für Flöte, eine Tragikomödie aus dem Beamtenleben, Sergej Bodrows Freiheit ist ein Paradies und Kerib, der Spielmann, das letzte Werk des kürzlich verstorbenen Regisseurs Sergej Paradshanow. Außerdem Wadim Abdraschitows Der Diener, eine Parabel um Macht und Gehorsam und der 72 Jahre sowjetische Geschichte bilanzierende Dokumentarfilm So kann man nicht leben von Stanislaw Goworuchin.

Die „Festivals des sowjetischen Films“ waren mit Beginn von Perestroika und Glasnost zunehmend argwöhnisch beobachtet worden. Nachdem 1987 gesellschaftskritische Streifen wie Abschied von Matjora von Elem Klimow große Zuschauerresonanz hatten, kam es ein Jahr später zum Eklat. Das 88er Programm, u.a. mit Das Thema und Die Kommissarin, erregte „allerhöchstes Mißfallen“ unter anderem bei Volksbildungsministerin Margot Honecker und einigen SED-Bezirkschefs. Nach dem Festival waren damals alle Filme auf Weisung „von ganz oben“ aus den Kinos genommen worden.

Auf den Monat genau 35 Jahre nach seiner Einweihung steht der Kulturpalast der Maxhütte Unterwellenborn zum Verkauf. Weder der metallurgische Großbetrieb noch andere denkbare Träger aus dem Ort und seiner näheren Umgebung sehen sich in der Lage, das sanierungsbedürftige Haus kostendeckend zu führen und damit zu erhalten. Eine unlängst bei der Gemeindeverwaltung gegründete Interessengemeinschaft arbeitet an einem Ideenkatalog für die weitere Nutzung. Die Gruppe, der Vertreter der Maxhütte, des Landratsamtes Saalfeld, der Gemeindebehörde und Persönlichkeiten aus der Kulturszene angehören, erstrebt den Verkauf an ein im kulturellen Bereich erfahrenes Unternehmen. Jährlich fast 200.000 Interessenten haben dort Theaterabende, Konzerte, Filme und Tanzveranstaltungen besucht.

Tangokönig Astor Piazzolla ist vor vier Tagen aus der Klinik nach Hause zurückgekehrt. Piazzolla hatte am 4. August in Paris einen Hirnschlag erlitten. Er lag im Koma, die Ärzte hatten ihn bereits aufgegeben. Kaum daß er in eine Spezialklinik nach Buenos Aires transportiert worden war, erholte er sich jedoch zusehends. Man spricht von einem medizinischen Wunder.