Gott ist eine „Schöne Frau“

■ Dreimal „Pretty Woman“ und eine (Er-)Lösung

Das Münchner DJU hat's erfragt, und im „Spiegel“ stand's: SchülerInnen aus Deutschland-Ost wollen erstaunlicherweise fast in allen Dingen das gleiche wie die aus Deutschland-West: soziale Marktwirtschaft und hartes Geld, gestaffelt nach guter Leistung.

Bloß in einem Punkt unterscheiden sich ihre Antworten: Die aus dem Westen glauben an Gott, die aus dem Osten nicht. Mich hat das gewundert, stark. Denn die aus dem Westen reden doch nicht den BefragerInnen schweijksch nach der Erwartung, so wie die von drüben gelernt haben. Wenn die West-Jungen an Gott glauben, wo treffen sie ihn? In den Kirchen seh ich sie fast nie.

Inzwischen weiß ich es, glaube ich. Ich habe da einen Hinweis gekriegt. In der S-Bahn von Berlin- Wannsee nach Friedenau.

Da saßen ein paar Kerls, dreckige Turnschuhe auf den sauberen Holzsitzen, Jeans in Fetzen, stark jung, stark männlich und stark laut, und einer sagte immer wieder: „Det müßter sehn, müßter rinjehn, da kannste echt wat lernn, wa.“ Es ging um „Pretty Woman“.

Weil mich gewundert hat, daß „was lernen“ ein Grund für Kinokucken sein soll, und weil der Kerl nicht verriet, was man da lernen kann, bin ich selber nachsehen gegangen. (Dreimal inzwischen übrigens.)

Und es ist so: Da ist ein schöner junger Mann, der arbeitet Tag und Nacht und ist reich, macht Kohle, um mehr Kohle zu machen und sieht wunderbar aus, super-cool, kriegt, welche Frau er will, und immer voll die Übersicht. Das ist alles toll, aber der Mann ist'n bißchen leblos. Und dann belebt er sich. Weil, eine wunderwunderschöne Frau taucht auf, die ist genau wie er, die tut für Geld alles. Aber so ganz alles nicht. Nicht sich küssen lassen auf den Mund. Und nicht sich ihren Traum abkaufen lassen, wie die Liebe sein soll. Und die Liebe soll eben nicht so sein, daß einem einer Geld anbietet, oder Appartment plus Auto. Sondern er muß mit dem weißen Zelter geritten kommen und eine oben aus dem Turm retten. „Rescue him“. Und was tut sie dafür? „She'll rescue him right back.“ Wie im Märchen.

Und das isses, 'was de da echt lernen kannst, wa–, in diesem Liebesfilm aus Hollywood, der sehr anmacht und/aber sehr keusch die Kamera auf Wand und Ornament rutschen läßt, wenn 'es– passiert, der nicht mit nacktem Fleisch lockt, sondern mit dem Traum von seiner Erlösung: Geld ist prima, man und frau braucht es unbedingt und reichlich.

Aber zum Paradies muß man sich durchfressen durch den Wohlstandsbrei, die Seligkeit fängt da an, wo man sich nicht vom Geld vorschreiben läßt, was man tut, wo man sich nicht von ihm benutzen läßt, sondern es nutzt, zum schöne Sachen machen.

Und die schönsten Sachen gehen nur mit anderen Menschen, solchen, die ihren Traum in einem/einer sehen und diesen Traum wahr machen. Mit der Bibel gesprochen, Menschen, die Gottes Ebenbild in einer oder in einem sehen und in sich selber auch.

Ich glaube, die S-Bahn-Kids treffen ihren Gott im Kino. Uta Stolle