Glasnost in die Forschung

■ Uni Bremen bietet populäre Vorträge / Transparenz für die Wissenschaft

Was hat das Uni-Geschehen schon mit dem normalen Bremer Alltagsleben zu tun? Um mehr Glasnost in Forschung und Wissenschaft zu bringen, hat die Bremer Universität zusammen mit der Gesellschaft der Freunde der Universität eine neue Vortragsreihe vorbereitet: „Eine Uni für alle“.

Die ausgewählten Themenschwerpunkte (siehe untenstehenden Kasten) sollen belegen, „daß Wissenschaft nicht zum Selbstzweck stattfindet“. Zum Beispiel die Gewässerökologie am Fachbereich zwei: Bremen — Fluch oder Segen für die Weser? heißt der Vortrag von Michael Schirmer.

Die Untersuchungen der Unterweser, die hier durchgeführt werden, begannen Ende der 70er Jahre mit einer Bestandsaufnahme. Festgestellt wurden zunächst katastrophale Sauerstoffdefizite, die 1985 durch den Aus- und Neubau der Großkläranlagen verbessert werden konnten. Später belegten verschiedene Meßprogramme die Verarmung des Planktons und Gefährdung der Süßwassertiere durch extreme Salzbelastung und andere Abwässer.

Zur Zeit wird im Institut für Gewässerökologie ein mehrjähriges Programm zur überwachung von Schwermetall und Pestizidbelastung durchgeführt.

„Herz im Streik“, heißt ein ganz anderer Vortrag von Annelie Keil. Sie beschäftigt sich am Fachbereich Erziehungs-und Gesellschaftswissenschaften mit Zivilisationskrankheiten, insbesondere Herzkrankheiten. Krankheit, so lautet eine ihrer Thesen, ruft das Leben um Hilfe. Ob psychische, psychomatische oder somatische Symptome den Zusammenbruch herbeiführten sei „für den Schrei der Seele“ unerheblich. „Die Krankheit ist ein Körperstreik.“

Grundfragen einer kritischen Kriminologie geht Stephan Quensel am Fachbereich Human-und Sozialwissenschaften nach. „Kriminellen helfen — eine Bremer Tradition“, ist der Titel seines Beitrags.

Während die traditionelle Kriminologie eine Art „Hilfswissenschaft des Strafrechts“ und scheinbar wertfrei war, schlug sich die „junge Kriminologie“ der 70er Jahre auf die Seite der Betroffenen. Es entstanden Häuser mit Wohnmöglichkeiten für entlassene Strafgefangene, eine Teestube, Nachbetreuung im Rahmen betreuten Wohnens. Diese Basis bietet auch heute noch ein breites Feld für wissenschaftliche Fragen, für die Auseinandersetzung mit allen Beteiligten.

„Durch diese Vortragsreihe“, sagte gestern Bengt Beutler , Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Universität Bremen, „soll gezeigt werden, wie sehr das, was dort in der Uni passiert, die Bürger betrifft.“ Außerdem wünsche er sich, daß vielleicht doch die eine oder der andere Mut bekommt, auch mit über 40 noch einmal an die Uni zu gehen. „Und wenn es nur darum geht, sich einen Jugendtraum zu erfüllen.“ bz