Ökologie und Irak-Krise

■ Der Golf-Konflikt, Deutschland und der ökologische Blick auf die Politik DOKUMENTATION

In der heftigen Debatte um die Rolle Deutschlands im Irak-Konflikt mischen sich im Kern drei Themen: erstens das Verhältnis zum Nationalstaat Deutschland, zweitens, wie auf die Agressionen des Iraks reagiert werden soll und drittens der Streit um die Ökologisierung der Politik. Sie zu trennen, scheint, um Klarheit in die poltischen Gedankengänge zu bringen, sinnvoll. Aber: diese Themen stehen nicht zufällig in einem zeitlichen Zusammenhang, sondern auch in einem interessanten Wechselverhältnis zueinander.

„Europäische Revolution und Fundamentalkrise der Dritten Welt sind eingebettet in eine Fundamentalkrise der Weltgeschichte als Geschichte des Verhältnisses von Menschen und Natur. Ob eine Menschheit, die den globalen Nuklearkrieg vermeidet, auch die ökologischen Voraussetzungen für menschliches Leben oder Leben überhaupt erhalten kann, entscheidet sich möglicherweise in den 90er Jahren, wenn es überhaupt noch entscheidbar ist.“ (Konfliktforscher Krell) Die Reaktion der Natur auf die menschlichen Angriffe kann dabei nicht durch Gedankenmodelle weggeredet werden, sondern sie bleibt auch real, wenn wir die Augen davor verschließen. Sie wird uns so oder so einholen. Wenn wir uns ihr heute endlich stellen, haben wir vielleicht noch eine Chance, auf demokratische und soziale Weise damit umzugehen. Das Kriterium der Zukunft für jegliches politisches Handeln wird deshalb zentral die Einordnung in die ökologischen Dimensionen sein.

Ökologischer Blick

Die Zeit der Nationalstaaten beginnt abzulaufen. Viele ökologische Probleme, wie zum Beispiel die Alpen, besitzen regionalen Charakter. Viele ökologische Lösungen, wie zum Beispiel die Rekommunalisierung der Energieversorgung, lassen sich dezentraler besser verwirklichen als auf nationalstaatlicher Ebene. Und da die ökologische Umgestaltung nur mit der Umgestaltung des Alltags der Einzelnen einhergehen kann, müssen mehr und mehr Menschen in die Entscheidungen miteinbezogen werden. Deshalb: Regionalisierung. Gleichzeitig hat die ökologische Katastrophe globalen Charakter. Stürme sind grenzenlos. Deshalb: Internationalisieren.

Die Hoheitsaufgaben der Nationalstaaten müssen nach unten an die Regionen und nach oben an supranationale Institutionen, die intern nicht nach dem Prinzip der Stärke und Macht, sondern dem der Demokratie organisiert sind, abgegeben werden. Ziel ökologischer und demokratischer Politik ist es daher, die Vormachtstellung der Großmächte in der Welt abzubauen. Die Hoffnung, daß sich über eine „moderne Weltmacht“ ökologische und demokratische Politik durchsetzen lasse, erscheint uns trügerisch. Es wäre ein bloßes bürokratisches Krisenmanagement, das den Dimensionen der Umgestaltung nicht gerecht wird.

Die Abgabe der Macht ist jedoch ein freiwilliger Prozeß, der von den Nationalstaaten selbst betrieben werden muß. Auf diesen Prozeß müssen wir Einfluß nehmen: er muß durch Druck von unten und durch das Ringen um Regierungsverantwortung befördert werden. Mittelfristig wird der Einfluß der Nationalstaaten als historisch gewachsenes Politikfeld noch bedeutsam bleiben und deshalb auch in die Entwicklung von Politik einzubeziehen sein. Wir leben in einer Übergangszeit, in der wir zugleich weiteren Einfluß auf die Politik auf der Ebene der Nationalstaaten nehmen und die Weichen für den Abbau dieser Politik stellen müssen. Opposition im neuen Gesamtdeutschland sein, heißt heute, sich dieser doppelten Verantwortung zu stellen anstatt sie zu leugnen. Da haben Antje Vollmer, Bernd Ulrich und Udo Knapp in ihrer Weltmachtprovokation recht, uns vor diesen Knoten zu schieben.

Nord-Süd-Konflikt

Die Invasion des Iraks mit den hitlerschen Eigenschaften von Hussein zu erklären, führt auf eine falsche Fährte. Sie reduziert das Problem auf die Eigenschaften eines Mannes und zeugt von einem Geschichtsbild, in dem die großen Männer es sind, die Politk machen. Die westlichen Industriegesellschaften waren immer auch auf ein Feindbild von außen angewiesen, gegen das sie sich positiv abgrenzen konnten. Nun müssen der islamische Fundamentalismus und die arabischen Völker die Stelle des Sozialismus einnehmen.

Im Kern ist der Irak-Konflikt jedoch ein Teil des Nord-Süd-Konfliktes, der nun, nachdem der Ost-West- Konflikt beendet ist, endlich ins Zentrum der Auseinandersetzung rückt.

Saddam Hussein wird von vielen Menschen in den arabischen Nationen unterstützt. Er steht für den eigenständigen Weg der arabischen Nationen und für die unverhüllte Ablehnung des Westens und Israels. Daß der fanatische und agressive Hussein zur Symbolfigur der arabischen Völker wird und nicht gemäßigtere, tolerantere Kräfte, hängt vor allem mit der defensiven Situation der 3. Welt zusammen, die kaum eine Chance hat, sich gegen die wirtschaftliche Übermacht der Industrienationen zu behaupten. Die Begeisterung für Saddam Hussein ist der Enthusiasmus von Verzweifelten. Haben sich die Industrienationen durch den interen Konflikt früher gegenseitig geschwächt, sind sie nun ideologisch, ökonomisch und militärisch vereint. So stehen die ärmeren Länder der Welt nun einer Front gegenüber. Ökologisch buchstabiert bedeutet das: Auf dem Rücken der 3. Welt leben die Industrienationen einen Wohlstand, der die Lebensgrundlagen der gesamten Welt gefährdet. Dieser Wohlstand ist es, der von vielen Ländern der 3. Welt angestrebt wird, aber von der Natur auf gar keine Fall mehr verkraftet werden würde. Das ist von uns ein Spiel mit gezinkten Karten: Der Standard eines Drittels ist nur mit der Unterdrückung von Zweidritteln zu erhalten. Wir wissen es, aber tun so, als ob unser Lebensstandard für alle das erstrebenswerte und realisierbare Ziel darstellen soll. Wie lange die Armen dieser Welt sich noch an der Nase herumführen lassen, wird die Zukunft zeigen. Wenn sie aber an unsere Tür klopfen und ihren gerechten Teil einfordern, stehen wir vor der Alternative, freiwillig zu geben oder aber in einer Ökodiktatur militärisch unsere Pfründe zu verteidigen. Auch deshalb müssen die Industrienationen ihren verbrecherischen Umgang mit der Natur aufgeben, die Industriegesellschaft revolutionieren und teilen lernen. Die (ökologisch) richtige Reaktion auf diese Probleme ist deshalb nicht eine Politik der Stärke, sondern Anerkennung des berechtigten Anspruchs der Entwicklungsländer auf eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung. War dies früher für uns allein ein moralischer Anspruch, wird es heute zur Überlebensfrage. Wir müssen lernen, bescheidenener zu werden. Denn es ist absurd, unser siegreich gescheitertes Zivilisationsmodell als die einzig richtige gesellschaftliche Entwicklung für die ganze Welt zu verkaufen. Zwar ist es den europäischen Kulturen gelungen, die individuelle Freiheit im Hier und Jetzt zu verwirklichen, aber es gelingt ihnen nur auf dem Rücken der Zukunft, der Frauen und der 3. Welt. Sie hat bisher keine Werte entwickelt, die der grenzenlosen materiellen Aneignung und damit einhergehenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen Einhalt gebieten. Bescheidenheit ist auch nötig bei der Ausnutzung der ökonomischen Fähigkeiten der Industrieländer. Genau wie für Kaffee und Bananen müssen wir auch für das Öl einen gerechteren Preis zahlen. Der größte Teil der Ölgewinne aus dem Nahen Osten landet in den Taschen der Ölmultis der Industrieländer. Dieser niedrige Ölpreis ist die Basis der Industriestaaten für ihren Lebensstandard. Es steht uns schlecht an, den Ländern der 3. Welt Wasser und Rote-Kreuz- Mehlsäcke zu predigen, selber aber weiter im Öl schwimmen zu wollen. Von den 3.-Welt-Ländern zu verlangen, den ökologischen Weg zu gehen, heißt die eigene Industriegesellschaft zu überwinden.

Der Weg, den Konflikt zu deeskalieren ist also, auf die arabischen Nationen zuzugehen und ihnen mehr kulturellen Einfluß und Reichtum zuzugestehen. Dadurch würde man mittelfristig die gemäßigteren Kräfte innerhalb der arabischen Welt stärken und hätte die Chance, den Konflikt ohne kriegerische Mittel zu lösen. Kurzfristig muß aber dem Irak durch den Wirtschaftsboykott der UNO gezeigt werden, daß es nicht akzeptiert wird, durch militärische Gewalt Grenzen zu verändern. Michaela Hustedt, Gisela

Nacken und Tina Stein

Die Autorinnen sind Mitglieder der Grünen. Der Beitrag ist gekürzt.