„Umschlagspflicht“ auch für Rüstungsexporte

■ Durch die Schuppen der „Bremer Lagerhausgesellschaft“ geht auch Kriegsausrüstung / taz-Rüstungsserie, Teil 11

Gestern im Neustädter Hafen. Vor dem Schuppen 24 stapeln sich Holzkisten, Paletten, Fässer. Von hier aus wird oft auch Rüstung exportiert, nach Brasilien, Pakistan, Südafrika oder Irak. Ein Hafenarbeiter erzählt: „Was in den Kisten drin ist, siehst Du erst, wenn Dir eine kaputt geht.“ Gerade vor kurzem war ihm eine beim Verladen heruntergefallen. Die platzte dann auf. „Da war alles mögliche drin, nur nicht das, was draufstand“, sagt er. Später dann hätten sie die wieder zusammengeflickt. Eine wirkliche Kontrolle darüber, was verladen wird, gibt es nicht, sagt der Arbeiter. Den Zoll sieht er kaum im Hafengebiet.

hier bitte die

Zeichnung mit dem

Panzer

Ein anderer Hafenarbeiter verlädt oft Maschinenteile. Aber was für Maschinen das sind, weiß er nicht „Es interessiert mich auch nicht,“ sagt er sehr offen. Nur bei Gefahrengütern, also Chemikalien oder radioaktiven Stoffen, will er genau wissen, womit er herumhantiert.

So sieht es auch ein Betriebsrat der für den Hafenumschlag zuständigen Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG). „Nur wenn da für uns lebensgefährliche Sachen verladen werden, ist es für uns wichtig, genau über den Inhalt der Ladung Bescheid zu wissen“, sagt er. Daß der Umschlag von Rüstung im Hafen für andere lebensgefährlich werden kann, sieht er auch. „Es ist aber leider so“, beendet er das Gespräch. Der Betriebsrat möchte nicht, daß sein Name in der Zeitung steht.

Klöckner-Ladung für die irakische Aufrüstung

1989 wurden im Bremer Hafen Anlagenteile und Maschinen der Duisburger Firma „Klöckner Industrie-Anlagen“ für den Irak verladen. Auftraggeber für diese Lieferung war die irakische Aufrüstungsbehörde NASSR. So steht es in den Packlisten, die der Bremer AG gegen Rüstungsproduktion und Waffenhandel vorliegen. Wenig später dann wurden die Anlagenteile in der türkischen Hafenstadt Mersin auf 16 LKWs verladen und in die irakische Stadt Taji gebracht. In Taji werden Artillerie und Munition produziert.

Auch an die irakische Rüstungsbehörde NASSR gingen im Dezember 1989 über die Bremer Häfen 1.000 Tonnen Stahlplatten von der Klöckner Stahlhütte Bremen. Der Bestimmungsort war Iskandariya. Dort befinden sich Anlagen zur Produktion von Raketen. Die Fabrik war im Sommer 1989 bei einer Explosion schwer beschädigt worden, 700 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.

BLG: „Wir können solche Exporte nicht aufhalten“

Klöckner-Sprecher Kriete sagt: „Sie können davon ausgehen, daß das von der Hütte Bremen gelieferte Material nicht für militärische Zwecke Anwendung findet.“ Eine Erklärung dafür, daß die Aufrüstungsbehörde der Kunde der Klöckner-Stähle ist, hat er nicht.

„Wir können solche Exporte nicht aufhalten“, sagt der Sprecher der BLG, Herr Schwerdtfeger, „die BLG hat keinerlei Kontrollfunktion.“ Wenn alle Ausfuhr- und Zollpapiere rechtmäßig sind, ist die BLG „umschlagpflichtig“. Verhindern kann nur der Zoll eine Lieferung. Zur Zeit werden aber, so Schwerdtfeger, Lieferungen aufgrund des rechtsverbindlichen Embargos nicht abgefertigt. Er räumt allerdings ein, daß dann wieder „Umschlagspflicht“ besteht, wenn hier festliegende Lieferungen an den Irak einfach für ein anderes Bestimmungsland umdeklariert werden.

Das kann auch der Bremer Zoll nicht ausschließen. Und nach der Aussage des Sprechers der Behörde, Ansorge, ist der Zoll auch nicht annähernd in der Lage, den Außenhandel über die Bremer Häfen zu kontrollieren. „Wir können zwar alles prüfen, aber tatsächlich ist die Überprüfung in das Ermessen der Beamten gestellt“, sagt er. Die rund 1.000 insgesamt für Bremen zuständigen Beamten entscheiden „anhand der Papierform“, ob sie sich eine Lieferung genauer ansehen oder nicht.

1.000 Zollbeamte prüfen „anhand der Papierform“

In der Praxis aber wird der Bremer Zoll wohl nur tätig bei konkreten Verdachtsfällen. So ein Fall lag vor wenigen Tagen vor, als der Zoll das Auslaufen von Booten der Abeking & Rasmussen-Werft verhindert hat: Es bestand der Verdacht, daß die für Taiwan bestimmten Boote Kriegsboote waren. Nach der Prüfung dieser Frage wurde dann aber grünes Licht für die Auslieferung gegeben.

Allerdings macht nun die Werft dem Vernehmen nach Schadensersatzansprüche in Höhe von mehr als 50.000 DM pro Tag des durch die Prüfung verursachten Lieferaufschubs geltend. Das dürfte die Motivation der Zöllner, sich Exportwaren genau anzusehen, nicht gerade erhöhen.

Rainer Kahrs