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Schaukampf für den Polizeistaat

Heute wird in Bonn das Gesetz zur „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ beraten  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Was heute in Bonn zum „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ gesagt wird, ist nach der Tagesordnung des Bundestages die „Erste Beratung“. Die notwendige zweite und dritte Beratung des Entwurfes soll nämlich in dieser Legislaturperiode gar nicht mehr stattfinden. Auch in den letzten Sitzungen des zuständigen Rechtsausschusses spielt das Paragraphenwerk keine Rolle. Statt dessen muß der neue Bundestag wieder erstmals beraten. Nichts anderes als ein Schaukampf wird in der für heute angepeilten Dreiviertelstunde ausgetragen.

Gegeneinander antreten werden dabei nicht Regierungsfraktionen und Opposition: Die CDU/CSU will den Koalitionspartner FDP als Gegner eines härteren Umgangs mit der Drogen- und organisierten Kriminalität vorführen. Die FreidemokratInnen ihrerseits können sich mit Kritik an dem Gesetzeswerk noch einmal linksliberal im Wahlkampf profilieren: Seit Monaten laufen StrafverteidigerInnen, RichterInnen, Organisationen wie die Internationale Liga für Menschenrechte und DatenschützerInnen gegen den im Mai von der Mehrheit des Bundesrates vorgelegten Entwurf Sturm. Sie alle monieren die gleichen Punkte in dem Werk aller CDU- und auch einiger SPD-regierten Länder: Es dehne polizeiliche Ermittlungsbefugnisse drastisch aus und greife massiv in die Freiheitsrechte der BürgerInnen ein. Überdies werde es seinem Anspruch, die Rauschgift- und organisierte Kriminalität effizienter als bisher zu bekämpfen, nicht gerecht.

Nach dem Entwurf sollen Polizeifahnder künftig sogar Unverdächtige mittels Richtmikrofon, Wanzen, Filmkameras überwachen dürfen. Vorausgesetzt wird lediglich, daß die betreffende Person mit dem Straftäter „in Verbindung“ steht. Definiert ist diese Verbindung freilich nicht. Erstmals sollen außerdem „verdeckte Ermittler“ mit gesetzlich geregelten Befugnissen ausgestattet werden, um Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ aufzudecken. Die Identität von Belastungszeugen im Strafprozeß will der Entwurf geheimhalten. Erheblich erweitert würde auch die Rasterfahndung. Dabei soll vorher nicht in jedem Fall eine richterliche Genehmigung eingeholt werden müssen. Weder der Verdächtige noch dessen Kontaktpersonen noch „unvermeidbar betroffene Dritte“ würden etwas von den Aktivitäten der Polizei erfahren: Sie müßten erst benachrichtigt werden, „sobald dies ohne Gefährdung [...] der Möglichkeit der weiteren Verwendung eines eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten geschehen kann“. „Sobald“ kann auch Jahre später sein.

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