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Kein »Geist von Dessau« im Berliner Zentrum

■ Internationale Fachtagung zur Zukunft der neuen Metropole Berlin/ Architekten und Planer hatten keine Visionen im Angebot

Berlin. »Berlin braucht Ideen!« — wenigstens darin stimmte die um vielleicht dreißig internationale Architekten, Planer und Developer angereicherte, aber ansonsten seit IBA- Tagen in festen Freund-Feind-Verhältnissen diskutierende Berliner- PlanerInnen-Szene überein. Magistrat und Senat, vertreten von SPD- Baustadtrat Clemens Thurmann und Bausenator Nagels Ost-Emissär Hanno Klein hatten zu einem »Internationalen Symposium« im Kongreßzentrum geladen — die Ergebnisse der »Klausur in Dessau« sollten vorgestellt werden. Dort hatten schon Anfang Oktober an die 30 ArchitektInnen — selbstverständlich auch international erste Adressen mit besten Investoren-Verbindungen — im Bauhaus, dem Tempel der architektonischen Moderne, ihre Ideen- Splitter zur Berliner Zukunft zusammengetragen.

»Gesucht wird die Vision des neuen Berlin«, lockte der Einladungsprospekt. Gefunden wurde sie bis in die abschließende Podiumsrunde hinein nicht. Und auch die großen internationalen Impulse waren ausgeblieben. Fachleute kennen die Planungen zwischen Chicago und Barcelona sowieso, die PolitikerInnen, die hier wohl eher auf Stand gebracht werden müßten, waren kaum präsent. Der Hort des Internationalismus war schnell auszumachen: in Arbeitsgruppe 5 zum Thema »Planning und Financing« saßen diverse Vertreter von Developer- und Architekten-Firmen, die immerhin dafür sorgten, daß in der Versammlung Begriffe wie linkage (will heißen: Auflagen für Großinvestoren, die etwa neben dem Brandenburger Tor ein großes Gebäude hochziehen und dafür auch für die Denkmalpflege in ihrer Nachbarschaft zahlen sollen) oder public-private-partnership (ppp abgekürzt, was Gemeinschaftsunternehmen von privaten Investoren und öffentlicher Hand meint) auf Podium und Gängen nur so umherschwirrten. Die spannendste Diskussion entbrannte um die Thematik »Verkehr«: Ob dem S-Bahn-Ring ein Autobahn-Ring an die Seite gestellt werden soll, war kontrovers. Das Ziel »Vorrang des Öffentlichen Nahverkehrs« nicht.

Überhaupt waren die Ergebnisse der Arbeitsgruppen eher als vorweihnachtliche Wunschzettel zu lesen. Der Einwurf eines Teilnehmers, wie das angesichts Bonner Subventionskürzungen und brandenburgischer Eigeninteressen bezahlt werden soll, blieb unbeantwortet.

Der »Geist von Dessau«, den Hanno Klein sich analog zum Verfahren »Ideen für Kreuzberg« als eine Art Mythos wünschte, ward nicht gesehen. Dafür gibt es zwei konkrete Neuigkeiten zu vermelden: Die Kooperation zwischen Mitsubishi und Daimler hat dazu geführt, daß der auch für Dessau geladene Japaner Kenzo Tange jetzt als Architekt für das Projekt der Untertürkheimer auf dem »Potsdaimler« Platz (neue Planersprache) gilt — das wußte jedenfalls der für die Tagung inhaltlich verantwortliche Michael Cullen zu berichten. Und zweitens: Wer glaubt, die »Wahlkampf-Aktion des Hauses Nagel« — so wurde das exklusive und deswegen auch oft unterbesetzte Unternehmen in den Kaffee- Pausen genannt — bliebe im Hause Schreyer unbeantwortet, hat sich getäuscht. Ende November dürfen wir, so war aus dem Umweltsenat zu erfahren, über eine »ganz andere, viel effizientere« Tagung berichten. Georgia Tornow

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