SPD sagt njet zu Behörden-Glasnost

■ Gesetz für das Recht auf Einsicht in Behördenakten gestoppt/ SPD-Fraktion pfeift Ausschußmitglieder zurück

Schöneberg. Die SPD-Fraktion im Westberliner Abgeordnetenhaus hat überraschend die als gesichert geltende Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gestoppt. Das in Deutschland bisher einmalige Gesetz, das ein generelles Einsichtsrecht in Verwaltungsakten für jedermann und jedefrau sichern sollte (siehe taz vom 15.10.), hatte nach langen Beratungen Anfang der Woche sämtliche parlamentarischen Hürden passiert. Damit hätte das Gesetz noch auf der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor den Wahlen am Mittwoch verabschiedet werden können. Im Rechts- und Innenausschuß hatten SPD und AL gemeinsam das von ihnen eingebrachte Gesetz befürwortet, und selbst die CDU hatte wider Erwarten nicht mit Nein gestimmt, sondern sich nur enthalten.

Wenige Stunden vor der Abgeordnetenhaussitzung hat jedoch die SPD-Fraktion ihre Abgeordneten zurückgepfiffen. Man habe, so die Argumentation, innerfraktionell doch beschlossen, nach dem 3. Oktober keine Gesetze mehr zu verabschieden. Die Sozialdemokraten im Rechts- und Innenausschuß entschuldigten sich daraufhin brav bei ihrer Fraktion, daß sie dem neuen IFG dennoch zugestimmt hätten. Gemeinsam mit der CDU lehnte die SPD sodann die Dringlichkeit des Gesetzes ab, so daß es am Mittwoch gar nicht mehr zur Verabschiedung auf die Tagesordnung des Abgeordnetenhauses gelangte.

In der AL ist man stinksauer über dieses »völlig hanebüchene und mauschelige Verhalten der SPD«. Mit vernünftigen Argumenten sei »nicht mehr nachzuvollziehen, was die Sozis da gemacht haben«, wetterte die AL-Fachfrau Lena Schraut. Andere Gesetze wie zum Beispiel das Landespersonalausweisgesetz hat die SPD nämlich trotz ihres angeblichen Beschlusses, keine Gesetze mehr zu verabschieden, sehr wohl durchgezogen. Lena Schraut: »Gesetze, die die Persönlichkeitsrechte des einzelnen beschränken, werden verabschiedet, und das Informationsfreiheitsgesetz als eines der ganz wenigen, das die Bürgerrechte gegenüber der Verwaltung stärkt, wird blockiert.«

Eine winzige Chance, nicht im Papierkorb zu landen, hat dieses Gesetz für Behörden-Glasnost aber doch noch. Zur Verabschiedung eines anderen Gesetzes, des Antidiskriminierungsgesetzes, wird Ende November überraschend noch eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses stattfinden. Und wenn die Sozialdemokraten sich bis dahin ihrer eigenen Ansprüche besinnen würden, könnte dort auch das Informationsfreiheitsgesetz auf die Tagesordnung kommen. Gefordert sind dazu jedoch auch die Sozialdemokraten in Ost- Berlin. Sie müßten auf der letzten Stadtverordnetensitzung am kommenden Montag das Informationsfreiheitsgesetz ihrerseits verabschieden, damit die Sozis im Westen sich nicht hinter dem Argument verstecken können, die drüben wollten das Gesetz gar nicht, und deshalb könne man — leider, leider — nicht zustimmen. Ve.