Weiße Striche sind legal

■ Verwaltungsgericht segnet Schraffierung der Straßenbahngleise ab

Seit ein paar Wochen tobt in Bremen der Kampf um die Striche. Seitdem das Innenressort Ernst macht und Straßenbahnschienen mit weißen Linien zu autofreien Zonen erklärt, laufen Einzelhändler, Gewerbebetriebe und auch Anlieger Sturm gegen diese Beschneidung der automobilen Freiheit. Wie zum Beispiel in der Sebaldsbrücker Heerstraße: Dort wurden Ende September Fahrbahnmarkierungen angebracht, um dem Autoverkehr das Befahren der dort in der Fahrbahnmitte liegenden Straßenbahngleise zu verbieten. Seitdem steht in dieser Straße stadtein-und auswärts jeweils nur noch eine Fahrspur zur Verfügung. Das ÖPNV-Konzept des Senats sieht solche Maßnahmen auch für weitere Stadtteile vor.

Seitdem Malkolonnen mit der weißen Farbe unterwegs sind, wird das Verwaltungsgericht Bremen mit Klagen von Anliegern gegen die neue Verkehrsregelung eingedeckt. Mit einem ersten Beschluß macht die 4. Kammer des Verwaltungsgerichtes jetzt jedoch klar, daß sich die meisten Betroffenen den Weg zum Gericht schenken können. Denn der Antrag einer in Sebaldsbrück ansässigen Kaffeerösterei, die neue Verkehrsregelung für unrechtmäßig zu erklären wurde zurückgewiesen.

Die Kaffeerösterei hatte sich durch das neue Linksabbiegeverbot in ihren Anliegerrechten beeinträchtigt gefühlt. Dazu meint das Gericht, daß ein Gewerbebetrieb zwar vor einem völligen Abschneiden vom „öffentlichen Verkehrsraum“ geschützt sein müsse, aber: „Veränderungen des Straßensystems oder der Verkehrsführung, die ohne die Zufahrtsmöglichkeit als solche berühren, die Verkehrsbedeutung der Straße zum Nachteil der anliegenden Gewerbebetriebe mindern, fallen jedoch nicht in den Schutzbereich der Grundrechte.“

In der weiteren Begründung macht das Gericht klar, daß Gewerbetreibende Verlagerungen des Verkehrs, mit denen die Straßen an sich verändernde Bedingungen angepaßt werden, grundsätzlich hinnehmen müssen, solange nicht die Existenz des Betriebes unmittelbar bedroht wird. Klartext: Ein Betrieb hat zwar den Anspruch, sein Grundstück mit dem Auto zu erreichen, aber nicht das Recht, zu verlangen, daß dies auf dem kürzesten Wege zu geschehen hat. So stellt die 4. Kammer fest: „Umwege, die hierdurch entstehen, stellen nach dem oben dargelegten rechtlichen Maßstab keine rechtserhebliche Beeinträchtigung der Anliegerrechte der Anliegerin dar.“

Die Kammer wird über die weiteren Anträge von Anliegern zwar je nach Einzelfall entscheiden müssen, dennoch setzt dieser Beschluß einen engen Rahmen. So heißt es in der Pressemitteilung: „Der Entscheidung kommt auch die noch anstehenden Verfahren Bedeutung zu.“ hbk

AZ.: 4 V 563/90