Fünf Jahre Knast für Bombengeschäfte

Im Prozeß um Nuklearexporte nach Pakistan verhängt das Gericht Haft- und saftige Geldstrafen/ Harsche Kritik an Bonner Genehmigungspraxis/ Steuerhinterziehung höher bestraft als Proliferation  ■ Von Michael Blum

Hanau (taz)- Im Prozeß um die illegalen Nuklearlieferungen der Gelnhäuser Firma „Neue Technologie GmbH“ (NTG) nach Pakistan Mitte der achtziger Jahre hat die Große Wirtschaftsstrafkammer gestern nach zweimonatiger Verfahrensdauer Haftstrafen verhängt. Der frühere Geschäftsführer der NTG, Rudolf Maximilian Ortmayer (53), wurde wegen Steuerhinterziehung, Untreue, Betrug und Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz sowie des „Versuchs des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“ zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von 120.000 DM verurteilt. Der mitangeklagte Physiker Peter Finke (46) erhielt wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe zu einem versuchten Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und eines Vergehens gegen das Außenwirtschaftsgesetz drei Jahre und neun Monate Gefängnis. Den ehemaligen Tritium-Papst des Max-Planck-Instituts in Garching, Heinrich Weichselgartner (55), verurteilte das Gericht wegen der gleichen Vergehen wie Finke zu einer 13monatigen Haftstrafe, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Staatsanwaltschaft Thomas Geschwinde zeigte sich mit den Schuldsprüchen zufrieden. Seine Behörde hatte für Ortmayer sieben Jahre Haft und eine Geldstrafe von 200.000 DM, für Finke vier Jahre Haft und für Weichselgartner zwei Jahre auf Bewährung gefordert. Die versuchten Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz spielen bei der Strafzumessung allerdings ebenso eine untergeordnete Rolle wie die Vergehen gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch die illegalen Lieferungen von Atomtechnik an Pakistan. Bei Ortmayer wurde die Steuerhinterziehung in Millionenhöhe mit drei Jahren Haft im Urteil geahndet. Die auswärtigen Belange der BRD seien durch die Lieferung zum Atomwaffenbau benötigten Tritiums und Tritiumgases erheblich belastet worden. Besonders die USA hätten auf höchster Regierungsebene protestiert, erklärte der Vorsitzende Richter Dr. Frech. Scharf attackierte die Kammer die Exportpraktiken der Bundesrepublik in sogenannte Schwellenländer. Fast täglich würden Fälle bekannt, in denen mittelständische wie große Firmen aus übersteigertem Geschäftsinteresse kriegswaffentaugliches Gerät in Krisengebiete exportierten. Eine erhebliche Mitschuld gab Frech den Genehmigungsbehörden, die bei fraglichen Exporten häufig zur Umdeklaration rieten, statt ein Exportverbot zu verhängen. Auch im Fall dieses Proliferationsskandals habe das Bundesamt für Wirtschaft Warnungen des Auswärtigen Amtes, nach denen Pakistan den Bau einer Atombombe betreibe, ignoriert. Auch die Bonner Atomlobby bekam ihr Fett. Frechs harsche Kritik erntete der CDU-Bundestagsabgeordnete Bayha, der sich ausdrücklich für die Exportgenehmigungen stark gemacht hatte.

Gleichwohl müsse das Verfahren, allgemein als Atomprozeß bekannt, umbenannt werden: Im Vordergrund stünden die Wirtschaftsvergehen, so Frech. Das Verfahren sei kein Stellvertreterprozeß gegen Nuklearstraftäter, sondern gegen Wirtschaftskriminelle. Zudem hätten die Angeklagten Wünsche der pakistanischen Atomenergiebehörde nach Lieferung von schwerem Wasser und Uran zurückgewiesen. Die gelieferte Menge Tritiumgas reiche zum Atomwaffenbau nicht aus. Der sei aber in Kauf genommen worden. Es handele sich aber lediglich um den „Versuch eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“. Im Gegensatz zu Finke bleibt Ortmayer vorläufig auf freiem Fuß.