„Sonst überholt Biedenkopf die Ampelkoalition“

■ Innenministerkandidatin Antje Vollmer über Perspektiven der Brandenburger Regierungsbildung INTERVIEW

taz: Du wirst in den letzten Tagen immer wieder als Ministerkandidatin des Bündnis 90 für Brandenburg gehandelt. Was ist da dran?

Antje Vollmer: Es ist viel Klatsch und Tratsch im Umlauf. Richtig ist: Bündnis 90-Leute in Brandenburg haben das Innen- und das Umweltministerium gefordert. Um ihrer Forderung für das Innenressort auch Nachdruck zu verleihen, stand ich als Kandidatin zur Verfügung. Das Bündnis 90 hat das Innenressort gefordert, weil erstens die Leute merken, daß nicht Diestel gewählt ist, sondern eine andere Mehrheit. Zweitens geht es um die Verfassungsdebatte, um die Auflösung der alten Seilschaften, den Aufbau einer demokratischen Verwaltung von Grund auf und offensichtlich auch darum, einige Fantasien zu bremsen. Einen Tag bevor das Bündnis die Forderung erhoben hatte, gab es schon eine von NRW ausgebildete Anti-Terror-Gruppe in Brandenburg. Eine solche Truppe würde eine Innenministerin des Bündnis 90 erst einmal in die Kartoffelernte schicken. Für andere Ressorts stand ich nicht zur Verfügung.

Was soll denn die neue Qualität der Ampelkoalition sein?

Bei den voraussichtlich zu erwartenden Mehrheiten auf Bundesebene wird die Frage zunehmend wichtiger, ob man über die Länder die Zentralgewalt noch kontrollieren oder ihr etwas entgegensetzen kann. Deswegen muß man jeden Einfluß, den man auf Länderebene haben kann, auch nutzen. Außerdem: Brandenburg grenzt an Polen — schon aus dieser Tatsache ergibt sich eine Herausforderung. Es geht um die Entwicklung der inneren Kultur des Landes gerade angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Brandenburg ist auch Agrarland und wird wie alle Agrarindustrien in Osteuropa entweder völlig zusammenbrechen oder nach einem ganz anderen Modell für die Agrarwirtschaft suchen müssen. Die Möglichkeit der Ampelkoalition mußte im Übrigen hochgehalten werden gegenüber dem Königsweg, den die SPD offenbar bundespolitisch einschlägt, nämlich irgendwann einmal wieder zu anderen Mehrheiten über eine große Koalition zu kommen. Zu neuen Mehrheiten kommt man jedoch eher über die Ampel.

Die SPD will aber das Bündnis 90 auf die üblichen klassischen Ressorts der Grünen festlegen? Besteht da nicht die Gefahr, daß die Ampel in Brandenburg von Biedenkopf in Sachsen sozusagen grün überholt wird?

Man muß aufpassen, daß die SPD uns nicht gouvernantenmäßig auf Ressorts der „schönen Künste“ ohne politische Macht festlegt. Sonst könnte es tatsächlich dazu kommen, daß sich Biedenkopf Leute holt, die materiell mehr grüne Inhalte umsetzen als die Ampel in Brandenburg. mtm