Hinter den Kulissen des Elysee

■ Französische Geiseln frei/ Regierung Mitterrand laviert in ihrer Nahostpolitik zwischen humanistischem Anspruch und realpolitischen Erfordernissen hin und her

Gestern abend landeten die rund 330 französischen Geiseln in Paris-Roissy. Damit befindet sich offiziell kein französischer Staatsbürger mehr unfreiwillig in Irak und Kuwait. Als „Gegenleistung“ wird die Maschine der Iraqi Airlines heute mit Medikamenten beladen den Rückflug nach Bagdad antreten.

Während Paris die Geste Saddam Husseins als Konsequenz einer Politik der Stärke bezeichnet, könnte sich die Freilassung als recht zweifelhafte Geste entpuppen: Auf dem Gipfel in Rom mußte sich Frankreich mit allen Kräften gegen den naheliegenden Verdacht wehren, eine Geheimdiplomatie zu führen.

Nachdem sich Frankreichs Staatspräsident Francois Mitterrand, in klarem Bruch mit sonstigen Usancen im Lande de Gaulles, im August ohne Wenn und Aber auf die Seite der Vereinigten Staaten gestellt hatte und — wenn auch demonstrativ mit halber Kraft — seine Flugzeugträger in Richtung Golf kreuzen ließ, versucht er sich nun in einer Doppelstrategie. In seiner Rede vor der UNO am 24. September skizzierte Mitterrand einen möglichen Kompromiß: Rückzug des Iraks aus Kuwait, aber keine automatische Wiederherstellung der As-Sabah-Monarchie, und: eine internationale Konferenz über alle regionalen Konflikte im Nahen Osten. Eine Rede, die strikt im Rahmen der UNO-Resolutionen blieb, aber zugleich den arabischen Staaten signalisierte, daß Frankreich seine traditionelle Rolle als privilegierter Gesprächspartner der arabischen Welt beibehalten möchte.

Eine Rolle, die es nicht nur als ehemalige Kolonialmacht im Maghreb und aufgrund exzessiver Waffenlieferungen an die Regime der Golfregion beansprucht, sondern nicht zuletzt auch angesichts der starken islamischen Gemeinschaft im eigenen Land.

Bagdad hatte Mitterrands Rede als „nicht aggressiv“ und „konstruktiv“ zu würdigen gewußt. Grund genug, die französischen Geiseln anders zu behandeln als die angelsächsischen? Oder hat es doch Kontakte hinter den Kulissen gegeben? Die französische Diplomatie hat sich stets als sehr flexibel erwiesen, wenn es darum ging, humanistischen Diskurs und realpolitische Erfordernisse auf einen Nenner zu bringen. Erst im Juli dieses Jahres hatte der französische Staatspräsident den Bachtiar-Attentäter Naccache begnadigt, um die Beziehungen zum Iran vollends zu normalisieren.

Fest steht, daß der ehemalige Außenminister und jetzige Europaparlamentarier Claude Cheysson von Mitterrand schon im August als persönlicher Emissär zu Jassir Arafat geschickt worden ist, um die Haltung Frankreichs zu erläutern. Gerüchtehalber soll Cheysson in Amman oder Tunis mit dem irakischen Außenminister zusammengetroffen sein. Mitterrand hat beim Gipfel in Rom unmißverständlich erklärt, es habe „keine Verhandlungen“ gegeben. Alexander Smoltczyk, Paris