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Rathausbroschüre gekippt

■ Bremens ErstwählerInnen bleiben unumworben

Es ist unübersehbar Wahlkampfzeit: Von den Laternenmasten lächeln die Herren Neumann und Koschnick zukunftsfroh über die Stadt. Zu hören aber war bis gestern wenig. Doch jetzt hat auch Bremen sein Bundestags-Wahlkampfthema — und was für eins. Darf Bürgermeister Wedemeier als quasi überparteiisches Wesen ErstwählerInnen per Faltblatt zur Wahl motivieren oder nicht? So lautete die Frage, die gestern hitzig zwischen Oppositionsfraktionen und Rathaus hin und hergeworfen wurde und am Nachmittag endgültige Antwort fand: Und wenn er auch dürfte, jetzt will er nicht mehr.

Angefangen hatte alles mit einer ziemlich alten Idee. Immer zur Wahlkampfzeit kommen Landesväter auf die Idee, die WählerInnen zur Teilnahme an Wahl XYZ aufzufordern — ganz neutral selbstverständlich, weil vom Verfassungsgericht so gewollt. Immer wieder schimpft die Opposition darüber, daß diese neutrale Wahlwerbung nichts anderes ist als verkappter Parteienwahlkampf auf Kosten der Steuerzahler. Um diesen Vorwurf vorauseilend zu entkräften, lud Klaus Wedemeier die Oppositionsparteien frühzeitig zum Mitmachen ein. 15 freundliche, junge Menschen sollten mit Foto und Spruch erklären, warum die erste gesamtdeutsche Wahl so wichtig ist. Angebot an CDU, FDP und Grüne: Je zwei der JungwählerInnen sollten aus dem Nachwuchs dieser Parteien kommen.

Als erstes warfen die Grünen gestern morgen ihr fax an und erklärten die Wedemeier-Aktion zur „PR-Aktion aus der Staatskasse“. Da mochte die CDU nicht nachstehen, fand die Formulierung „Verschwendung von Steuergeldern“ und drohte mit „weiteren Auseinandersetzungen“.

Den Fehdehandschuh nahm Wedemeier an, um ihn umgehend zurückzuwerfen: Wenn die Neutralität des Wahlaufrufs nicht gewährleitet ist, dann lassen wir das Ganze, teilte er mit. Die CDU wolle offensichtlich nicht mit kritischen jungen Leuten ins Gespräch kommen, „und die Grünen blicken ohnehin nicht über den Tellerrand ihrer Intellektuellenzirkel hinaus.“

Ein meßbares Ergebnis hat die abgeblasene Aktion: 20.000 Mark für Öffentlichkeitsarbeit bleiben Wedemeier nun für anderes. hbk

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