Gatt-Verhandlungskrise erreicht nun auch Genf

■ Kanadischer Handelsminister: Scheitern führt zu weltweiter Rezession

Genf (taz) — Mit einer Serie von Sondersitzungen und informellen Beratungen soll ein Scheitern der Verhandlungen für das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) noch abgewendet werden. Ein Teil der Treffen soll auf der Ebene von Ministern und Regierungschefs stattfinden. Da die EG als einzige der beteiligten Wirtschaftsmächte wegen der internen Uneinigkeiten über den Abbau von Agrarsubventionen zu keinem der 15 Gatt-Verhandlungsbereiche ihre Vorschläge eingereicht hat, sind die Beratungen in Genf praktisch zum Stillstand gekommen. In der ostschweizer Bürokratenmetropole hat das Gatt-Sekretariat seinen Sitz.

Am Freitag tritt das für Handelsfragen zuständige Verhandlungskomitee (TNC) zusammen, in dem die Delegationsleiter aller 107 Gatt-Mitgliedsstaaten vertreten sind. Ab Samstag tagen in Genf die 14 Handelsminister der getreideexportierenden Cairns-Gruppe unter der Führung Australiens. Ebenfalls am Wochenende werden die Handelsbeauftragte der US-Regierung, Carla Hills, der zuständige EG-Kommissar Frans Andriessen und Italiens Außenhandelsminister Renato Ruggiero in Genf erwartet.

Der kanadische Handelsminister John Crosbie hatte am Montag abend in London erklärt, die Lage sei inzwischen „schlimmer, als irgend jemand zuvor vermutet hatte“. Ein Scheitern könne zu einer weltweiten Rezession führen, ähnlich der in den 30er Jahren. Die Verantwortung dafür liege „hauptsächlich bei der EG, und hier vor allem bei Deutschland und Frankreich“. Am Montag nächster Woche werden die Agrar- und Handelsminister der zwölf EG-Staaten in Brüssel den siebten Versuch unternehmen, sich auf gemeinsame Vorschläge in der Agrarfrage zu einigen. Am Dienstag und Mittwoch tagen in Genf dann die Handelsminister der 15 am meisten unterentwickelten Staaten (G 15). Parallel trifft sich erneut das Gatt-Handelskomitee.

Es wird in Genf nicht ausgeschlossen, daß sich auch die Regierungschefs, die sich nächste Woche wegen der Zweiten Weltklimakonferenz in Genf treffen, in die Bemühungen um eine Rettung der Gatt-Verhandlungen einschalten. Bislang haben sich zur Klimakonferenz bereits die Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich, Norwegen, Jordanien und Malta angesagt. Andreas Zumach