Es muß was Neues kommen - aber was?

Müder Wahlkampfauftakt der PDS in Köln/ Was die PDS ins Parlament einbringen will, blieb unklar/ Hans Modrow ließ sich mit lädiertem Knie entschuldigen  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Der junge Mann im dezent karierten Leinensakko findet schon das Plakat am Eingang „total daneben“: „Lust auf links und darunter der Name Hans Modrow - das kannste keinem verkaufen.“ Modrow, der sei doch irgendwie ausgebrannt, alt, traurig. Mag sein, Hans Modrow sieht dies ähnlich. Jedenfalls ist der ehemalige DDR-Ministerpräsident und heutige PDS-Abgeordnete am Montagabend nicht in die Sporthalle nach Köln- Deutz gekommen. Dabei sollte er dort zusammen mit Gregor Gysi und anderen west- und ostdeutschen PDSlerInnen, Rio Reiser und anderen KünstlerInnen den Wahlkampf seiner Partei in der ehemaligen BRD eröffnen. Modrow habe was am Knie, so erklärt ein Pressesprecher knapp, weshalb der einzige Partei- Prominente neben Gysi an diesem Abend fehlt. Auch er selbst scheint allerdings nicht überzeugt.

Wäre Hans Modrow nach Köln gekommen, hätte ihm dieser Montagabend die Traurigkeit wohl kaum genommen - jedenfalls zunächst nicht. Ein gutes Drittel aller Stühle in der riesigen Sporthalle bleibt leer. Sein Name, Rio Reiser, Gregor Gysi und die anderen haben kaum mehr als tausend Menschen angelockt. Plakate, auf denen Karl Marx als Comic-Figur die Hand zum Siegeszeichen hebt, ein roter Stern von einem Pfeil durchbohrt wird und ein kleiner Bengel mit dem Aufdruck PDS auf der Brust ein schweres Gewicht stemmt, hängen lieblos nebeneinander aufgereiht über der großen Bühne. Auf der mühen sich Kabarettisten und ein Liedermacher ohne rechten Erfolg; für die wütenden und traurigen Chansons gibt es nur dünnen Beifall. Viele Zuhörer schlendern nach draußen, gucken sich lieber an den Büchertischen und PDS- Ständen in der Vorhalle um, trinken Bier, essen Wurst und strömen erst wieder in die Halle, als eine weitere „Gesprächsrunde“ ankündigt wird.

„Gesprächsrunde“, das sind Statements vom Parteivorsitzenden Gregor Gysi, seiner Stellvertreterin Marlies Deneke, dem PDS-Abgeordneten Uwe-Jens Heuer und einigen KandidatInnen der West-PDS. Sie werden von dem unbeholfenen Moderator regelrecht abgefragt: „Das Modell Sozialismus, wie sehen Sie es?“ oder „Was sind so Ihre Vorstellungen zur Ökologie?“ oder „Wird die geistige Grundlage des Sozialismus der Marxismus sein?“ Antworten können die Befragten kaum entwickeln. Und da, wo es ihnen gelingt, wird vor allem eines klar: Was die PDS ins Parlament einbringen will, ist noch ziemlich unklar. Sicher wissen ihre KandidatInnen nur, „daß etwas Neues kommen muß, mit anderen Strukturen“, so Gregor Gysi, „daß wir den Sozialismus in der Politik verankern müssen“, so die ehemalige GALierin Ulla Jelpke, und „wir nicht mehr einfach ein Modell über alles stülpen dürfen, sondern unsere konkreten Erfahrungen einbringen müssen“, so das PDS-Präsidiumsmitglied Helga Adler.

Gerade solche schwammigen Erklärungen treffen den politischen Nerv der ZuschauerInnen.Nur wenige Hände rühren sich, als etwa Uwe-Jens Heuer den „Kampf für eine neue Verfassung auf dem Boden der heutigen Verfassung“ ausruft. Auch als die Schauspielerin und West-PDSlerin Tina Seebohm zum Kampf gegen die Autogesellschaft aufruft, bleibt der Beifall spärlich. Begeistert sind die ganz jungen wie die recht alten Menschen, wenn von der Bühne herab „das Neue“ in der gesamtdeutschen Politik eingeklagt wird — und wenn Gregor Gysi spricht.

Es habe noch niemandem geschadet Marx zu lesen, nur eine Antwort auf alle Fragen dürfe man von ihm nicht erwarten; für Ökologie und soziale Gerechtigkeit gelte es nun zu kämpfen, und das zusammen mit der Dritten Welt; daß Teile der Grünen militärisches Eingreifen im Golf forderten, sei doch eine Katastrophe; Birne Kohl, „solche Sprüche mache ich nicht, das wissen se doch“; die PDS stehe dem Grundgesetz näher als die anderen Parteien, sonst hätte sie nicht vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen ... — was Gysi auch sagt, es wird laut und heftig beklatscht. „Wie das heißt, was mit uns kommt, ist mir ziemlich egal. Hauptsache es ist nicht das Alte“.