Nadir-Land ist abgebrannt

Asil Nadirs Abstieg stürzt den türkisch besetzten Teil Zyperns in eine schwere Krise  ■ Von Klaus Hillenbrand

Berlin (taz) — Um nach Nordzypern zu kommen, ist ein Flug mit „Noble Air“ anzuraten. Dort angekommen, übernachtet man am besten in einem Hotel der „Voyager Kibris“- Gruppe. Als preiswertes Mitbringsel für die Daheimgebliebenen empfiehlt sich ein Hemd von „Wearwell“. In der Sonne liegend, genießt man „Sunzest“-Fruchtsaft, abgepackt bei „Unipack“. Sollte die heiße Sonne zu Kopfschmerzen führen, sind Tabletten von „ICP“ einzunehmen. Oder man zieht sich aufs schattige Hotelzimmer zurück, liest die Tageszeitung 'Kibris‘ oder auch 'Yeni Gün‘ und studiert die Angebote des japanischen Elektronikmultis Sansui, während man Ananas aus der „Del-Monte“-Dose löffelt und der Fernseher von der „Polly-Peck“- Gruppe läuft.

Diese Art Freizeitgestaltung wird einen Mann besonders erfreuen: Asil Nadir, auf Zypern geborener britischer Staatsbürger und Besitzer oder Großaktionär all dieser Firmen und noch unzähliger mehr. Nadir kontrolliert den Citrus-Export aus dem türkisch besetzten Teil Zypern, besitzt aber auch eine Reederei, mehrere Zeitungen in der Türkei, Immobiliengesellschaften, den Mischkonzern „Polly Peck“ und und und. „Willkommen im Nadir-Land“ begrüßen oppositionelle türkische Zyprioten ihre Gäste. Nadir ist allgegenwärtig, und das nicht nur auf Zypern. Der Selfmademan erschien kürzlich auf einer Liste der 200 reichsten Bürger Großbritanniens auf Platz 36.

Jetzt droht dem zweifellos reichsten Mann Nordzyperns, dessen schier unaufhaltsamer Aufstieg vom Besitzer einer bescheidenen Schneiderei zum Ferrari-Fahrer vor zehn Jahren mit dem Kauf der damals winzigen „Polly-Peck“ begann, der Sturz ins Bodenlose. Nadir kämpft ums Überleben. Die Gläubiger haben sich vorläufig bis zum 11. November vertrösten lassen. Bis dahin muß Nadir Geld auftreiben. Um die angelaufenen Schulden zu begleichen, sind 200 Millionen Pfund erforderlich. Die Obstgruppe „Del Monte“, weltweit Nummer eins bei Ananas, soll verkauft werden. Der Philip Morris Konzern, dessen Verhandlungen mit dem Bananenriesen Dole Fruit an unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert sind, hat Interesse angemeldet. In Zypern will Nadir weiteres Geld locker machen. Wie, sagt er nicht. Der türkische Ministerpräsident Turgut Özal soll helfen.

In Nordzypern herrscht Katastrophenstimmung. Nadirs Arbeiter und Angestellte gehen auf die Straße — nicht gegen, sondern für ihren Arbeitgeber. Nadirs Firmen stellen mehr als zehn Prozent aller Arbeitskräfte des Phantomstaats „Türkische Republik Nordzypern“, der nur von der Türkei anerkannt ist. In der Republik Zypern heißt es, er kontrolliere fast 40 Prozent der nicht-staatlichen Wirtschaft Nordzyperns. Doch wie der wendige Asil Nadir zu seinem Imperium kam, steht auf einem anderen Blatt.

Nach der Invasion des Nordens der Mittelmeerinsel durch türkische Truppen flohen die griechischen Zyprioten in den Süden. Ihr Eigentum, Citrusplantagen, Hotels, Industriebetriebe, wurde von den neuen Machthabern enteignet. Die meisten Hotels und Plantagen, die sich heute im Besitz Nadirs befinden, sind schlicht gestohlen. Die rechtmäßigen Eigentümer können sich nicht wehren. Dafür sorgt wiederum Rauf Denktas, „Präsident“ der Bananenrepublik Nordzypern und Gönner Nadirs. Griechische Zyprioten haben vor den Gerichten keine Chance — sie dürfen Nadir-Land gar nicht erst betreten.

Stürzt Nadir, so dürfte auch der konservative Denktas Probleme bekommen. Nordzyperns zerrüttete Wirtschaft hängt auch jetzt schon am Tropf der Türkei, die rund 50 Prozent des „Staatshaushalts“ trägt. In Ankara hat man in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, daß man nicht geneigt ist, diese Subventionen auch noch zu erhöhen. Ist Nadir-Land bald abgebrannt?