Bilder vom Leben am Rande

■ Bremer Geschichtsgruppen für neuen Kalender auf Spurensuche

Vor einem Bremer Bürgerhaus sitzt Großvater zusammen mit seinen Enkeln auf dem Kutschbock. Hinter ihm auf einem flachen Federwagen stehen Milchkannen und Kästen mit Butter, Magarine und Sahnekäse. Bis weit in die zwanziger Jahre hinein ein alltägliches Straßenbild, auch in Bremen.

„Opa auf dem Kutschbock“ ist eines der alten Fotos, die die Arbeitsgemeinschaft der Bremer Geschichtsgruppen für einen neuen Kalender zusammengestellt hat. Bilder und Geschichten aus dem Bremer Alltag beschreiben das, was sonst von der allgemeinen Geschichte vergessen wird: Die „Ränder“ der Stadt, das Leben in Betrieben, auf den Straßen und soziale Bewegungen.

In der Böttcherei von Haake Beck (1957) stehen vier Arbeiter neben der Fügbank. Nur wenig Licht fällt in den Raum, der an ein Kellergewölbe erinnert. Einer der Böttcher beschreibt die Faßmontage: „Im Sommer 1956 war ich auf der Schankhalle, dort mußten immer zwei Mann Faßreifen antreiben. Manchmal waren sie auch zu viert, dann machten wir den sogenannten 'Viererschlag'." Diese und andere Geschichten stehen auf der Rückseite der Bilder.

Alltagsgeschichte umfaßt ganz verschiedene Lebensbereiche; Kindheit in der Vorstadt, Arbeit im Familienbetrieb, proletarisches Wohnen oder: Den „50-Kilometer Gepäckmarsch von Abstinenten und Mäßigen“. Männer in sportlicher Kleidung haben sich hintereinander aufgebaut, eingekreist von „Kontroleuren“ auf Fahrrädern. Um sich noch zusätzlich zu belasten, tragen die Teilnehmer Sandschläuche. Mit ihrer Aktion wollten die Aktivisten 1909 gegen den Alkoholismus zu Felde ziehen. „Auf zum Kampf gegen das Bier“, war ihreLosung.

Eine Titelblatt-Collage der Schulzeitung „Unsere Schule“, 1929. Vier Kinder versuchen sich zum ersten Mal im Pflügen. Entstanden ist das Foto vermutlich bei Ristedt an der Helgolanderstraße in einem der ersten Bremer Landschulheime. „Hier ist Amerika! Bloß essen und herumstrolchen „, schreibt Peter Stoll — Arbeiterkind im gleichnamigen Kinderroman des Carl Dantz — aus einem solchen Waldlager. Anliegen des Kalenders ist es all diese Ränder der Gesellschaft „wiederzuentdecken“. Die Geschichtsgruppen verstehen Vergangenheit nicht als einen abgeschlossenen Prozeß. Bausteine zwischen damals und heute sind nicht zufällig, „sondern entsprechen unserem Verständnis von Geschichte“, heißt es in der Einleitung. bz