Psychiatrie statt Knast für Attentäterin

■ Lafontaine-Attentäterin Adelheid Streidel erklärt sich für „normal“ und verlangt Freispruch Gericht: Streidel ist schuldunfähig und muß auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie

Berlin (taz/ap) — „Es tut mir außerordentlich leid, daß es nicht zum Erfolg gekommen ist“, erklärte Adelheid Streidel gestern in ihrem Schlußwort erneut. Sie sei völlig normal, sagte sie und verlangte einen Freispruch. Die 43jährige Frau hatte am 25. April nach einer Wahlkampfveranstaltung in Köln versucht, den SPD-Bundeskanzlerkandidat Oskar Lafontaine mit einem Messer umzubringen. Adelheid Streidel hatte nach der Tat und auch vor Gerich wiederholt erklärt, sie habe auf Befehl von Jesus Christus einen Politiker töten müssen, um auf unterirdische „Menschentötungsfabriken“ der Bonner Regierung aufmerksam zu machen. Die 12. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts ließ die Beschuldigte gestern für unbestimmte Zeit in eine psychiatrische Anstalt einweisen und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Der Vorsitzende Richter Bruno Terhorst stützte sich bei dem Urteil auf die beiden psychiatrischen Gutachter, die Adelheid Streidel eine „halluzinatorisch-paranoide Schizophrenie“ attestiert hatten. Da die Attentäterin im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt habe, könne sie strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, hieß es im Urteil. Adelheid Streidel stelle, wenn sie in Freiheit bliebe, für die Allgemeinheit weiterhin eine Gefahr dar.

Zuvor hatte nicht nur der Staatsanwalt, sondern auch der Verteidiger die Unterbringung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt beantragt. Staatsanwalt Peter Graeve wertete die Tat als versuchten Mord und sagte in seinem Plädoyer: „Es handelt sich um eine kranke Täterin“ und ob sie unabhängig von der Tat einmal in der Lage sein wird, ein normales Leben zu führen, könnten nur Ärzte beantworten. Verteidiger Hermann Wegener sprach von versuchtem Totschlag und forderte, seiner Mandatin die Chance zu eröffnen, „nach einer gewissen Zeit ins normale Leben zurückzukehren“.

Vor dem Plädoyer hatte die Schwester von Adelheid Streidel gestern vor Gericht erneut schwere Vorwürfe gegen Amtsärzte und Vormundschaftsgericht erhoben. Adelheid Streidel war nach einer Brandstiftung 1986 bereits einmal wegen „paranoider Schizophrenie“ gerichtlich in die Psychiatrie eingewiesen worden, später jedoch als „unauffällig“ entlassen worden.

Ihre Schwester beklagte gestern, daß sie entsprechenden verantwortlichen Stellen zwar nachdrücklich auf die Gefährlichkeit von Adelheid Streidel hingewiesen habe, ihre Warnungen aber in den Wind geschlagen worden seien. uhe