■ IM KINO: LONGTIME COMPANION
: Alptraum-Einblick

“Danke“, schreibt einer an die American Playhouse Theatrical Films, „danke für diesen Film. Danke für den Einblick auch für diejenigen, die diesen Alptraum verschlafen wollen... .“ Regisseur Norman Rene und der Drehbuchautor Craig Lucas haben sich an das Thema Aids gewagt: Longtime Companion ist ihr Hollywood-Film betitelt, und damit sind nicht nur schwule langfristige Beziehungen gemeint. In der amerikanischen Sprache wird damit auch der überlebende Liebhaber eines an Aids Verstorbenen bezeichnet. So braucht auch niemand „lover“ zu sagen.

Die Geschichte schliddert leicht und unbeschwert in den Sommer 1981, wo einige Freunde Strand, Sonne und Sex genießen. Die Longdrinks sind kühl und die Liebe heiß, das Leben macht Spaß. Aber hier lesen sie zum ersten Mal von einer neuen, krebsartigen Krankheit, die nur unter Homosexuellen auftreten soll — na, sowas trifft ja doch nur die anderen. David und Sean, die schon lange zusammenleben, kümmern sich nicht um die wenig greifbare Bedrohung; Willy und Fuzzy lernen sich gerade kennen, bei ihnen steht ohnehin die Passion im Vordergrund. Das hat Regisseur Rene einfühlsam und unsentimental in Szene gesetzt.

Aber Longtime Companion ist für den amerikanischen Markt gemacht, und der hat seine eigenen Gesetze. Daß es sich bei den schwulen Hauptpersonen fast allesamt um wohlsituierte Yuppies, Drehbuchautoren, Computerspezialisten oder reiche Erben handelt, ist ebenso ein Merkmal der typisch amerikanischen Herangehensweise wie der beinah sterile Umgang mit Sexualität. In den folgenden acht Jahren vermehrt sich zwar die Kenntnis über Aids. Aber der Todes-Schrecken im privaten Umfeld der Protagonisten wird bemerkenswert amerikanisch angegangen. Setzt zunächst nach jedem Küßchen eine panische Hygiene-Aktion ein, so sind die abgeklärten Gutverdiener später mit allen neuen Mittelchen und Pillchen vertraut.

Diskussionslos wird das Schicksal ertragen, die Worte „Kondom“ oder „Safer Sex“ kommen im Film nicht vor. Es wird eben nicht mehr gebumst. Die Krankheit höhlt die Menschen aus, egal, ob sie infiziert sind oder nicht. Als Sean elend verfällt und stirbt, kann sein Freund David nur noch Wärme spenden. Longtime Companion beweist, daß die öffentliche Diskussion uneingeschränkt weitergehen muß. J.F.Sebastian

Schauburg: 16.30, 18.30, 21h