»Räumen bedeutet mit Feuer spielen«

■ Bezirksbürgermeister warnte Polizei und Innensenat vor Folgen der Räumung DOKUMENTATION

Prenzlauer Berg. Einen Tag vor der Räumung der drei Häuser warnte der stellvertretende Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Familie, Jugend und Sport, Siegfried Zoels, vom Bezirk Prenzlauer Berg Innensenator Erich Pätzold (SPD), Innenstadtrat Thomas Krüger (SPD) und Polizeipräsident Georg Schertz vor den Folgen der geplanten Polizeiaktion. Hier der Brief, den Zoels am vergangenen Sonntag im Polizeipräsidium abgab.

»Am Freitag erhielt ich die Information, daß beabsichtigt ist, das besetzte Haus Cotheniusstraße 16 am kommenden Montag mit Polizeigewalt zu räumen. Die Rechtmäßigkeit dieser Aktion steht außer Frage. Allerdings gebe ich zu Bedenken, ob diese Entscheidung zur Zeit politisch verantwortet und durchgesetzt werden kann.

Folgende Faktoren sind zu bedenken:

Der Tod des Fußballfans in Leipzig

Die gestrige Trauerdemonstration

Die Zusammenstöße mit Hooligans in Magdeburg

[...]

Die Hemmschwelle, Aggressionen aktiv auszuüben, ist offensichtlich sehr niedrig. Begründet sicher auch in der Frustration der letzten Monate; relativ wenig hat sich zum Guten hin verändert; die Hausinstandbesetzer werden mit immer neuen Argumenten vertröstet; der Eindruck der Handlungsunfähigkeit der Regierenden ist dominant; alle warten auf die Wahlen am 2. Dezember. Dazu kommt, daß es in den letzten Monaten offensichtlich zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Kreuzberger- und den Prenzlauer-Autonomen gekommen ist.

Zu diesem Zeitpunkt ein Haus zu räumen, bedeutet, mit dem Feuer zu spielen. Das Haus ist ohne ein ständiges großes Polizeiaufgebot von Besetzern auf Dauer nicht freizuhalten. Und selbst wenn das gelänge, besteht die Gefahr, daß in allen Stadtteilen Gewalttätigkeiten begännen. [...] Diese vielfältigen Aggressionen könnten durch die unterbesetzte Polizei nicht gestoppt werden. Zugleich wären die Auseinandersetzungen hervorragende Wahlkampfmunition für die Law-and-Order-Verfechter.

Aus diesen Gründen bitte ich dringend, die Entscheidung zur Räumung rückgängig zu machen.« diak