Dreißig Hertz hat meine Liebe

■ Michael Derda mit Süskinds „Der Kontrabaß“ im Packhaus / Premiere des Einmannstücks

Der Kontrabaß: rundlich, groß und sehr erhaben. Knapp über dreißig Hertz schwingt sein tiefster Ton, und das ist wirklich tief. Frau Niemeyer, die oben wohnt, meldet sich immer, wenn die Grenze zum Mezzoforte überschritten ist. Dann zittern die Kaffeetassen, und der Nachttopf wandert über die Dielen.

Patrick Süskinds Der Kontrabaß ist eines der derzeit meistgespielten Stücke auf deutschsprachigen Bühnen. Der Aufwand ist vergleichsweise gering, es gibt nur ein Bühnenbild, einen Schauspieler und nur ein wichtiges Requisit. Süskinds Bildersprache ist ein Selbstläufer, da kann eigentlich nichts schiefgehen, dankbare Lacher sind garantiert. Das bedeutet besonders für die kleineren Häuser einen beachtlichen Vorteil gegenüber aufwendigen Inszenierungen. So oder so ähnlich werden auch Michael Derda (ehemaliges Ensemblemitglied am Bremer Theater) und Andrea Krauledat vom Packhaus im Schnoor gedacht haben. Auf der Suche nach einer publikumswirksamen Linie, die für den Erhalt ihres Hauses lebensrettend sein kann, sind die beiden fündig geworden.

Frau Niemeyer, die bei der Packhaus-Premiere lediglich durch ein mehrmaliges Klopfen auf sich aufmerksam machte, hat eigentlich nicht viel auszuhalten. Denn der kahlköpfige Kontrabassist (Michael Derda) in ihrem Hause übt nur selten. Er, der sich in seinem Ein-Zimmer-Wohn- Klo schallisoliert abgeschottet hat, träumt von Solo-Konzerten und einer jungen Sopranistin. 46 Jahre alt ist er nun, psychisch verelendet, vereinsamt und alkoholabhängig. Aber das gibt ein verbeamteter Künstler mit „zwei- acht Netto“ natürlich nicht zu. So monologisiert sich das arme Würstchen achtzig Minuten durch die „fundamentalen Tiefen“ seines Instruments, nicht ohne seine Qualifikation einer abgeschlossenen Halbbildung wortreich zu beweisen.

Von Hierarchien versteht er etwas, denn im Leben wie im Beruf stand er bisher am Ende der Leiter. Die Verkümmerung des eigenen Ichs ging einher mit der Personalisierung seines ihn überragenden Kontrabasses. Süskinds Kontrabaß erhält ein eigenes Leben durch seinen bauchigen Körper, seinen tiefen Klang und seine Sperrigkeit. Da braucht Michael Derda nur bemüht zynisch das anzuklagen, was die Rolle ihm ohnehin aufbürdet. Das Instrument gerät zur Übermutter, zur Geliebten und zur Machtinstanz in einem.

Derdas spärlich gespielter Musiker bemüht sich kaum um Facetten, er drischt höchstens auf ein Kissen ein oder wischt hektisch die Rillen seiner Schallplatten. Mit zunehmendem (gespieltem?) Bierkonsum rötet sich zwar sein Gesicht und die Stimme wird lauter, doch die Figur, die er zusammen mit Funkregisseur Hans Helge Ott entwickelt hat, will oder kann über das Maß der Textvorlage nicht hinausspielen.

Jürgen Francke

Weitere Aufführungen: 16., 17., 18.11)