„Herr Innensenator Pätzold war für mich nicht zu sprechen“

■ Gottfried Forck, Bischof von Berlin-Brandenburg und zunächst verschmähter Mittler zwischen Senat und Hausbesetzern, kritisiert die Räumungen INTERVIEW

Der Bischof von Berlin-Brandenburg, Gottfried Forck, hatte sich vor der polizeilichen Räumung der Häuser als Vermittler angeboten. Doch der Senat reagierte nicht. Im Unterschied zu Walter Momper, der als Ursache der Krawalle „blanke Mordlust“ ausgemacht hat, wirft Forck dem Senat vor, sich nicht auf die von den Besetzern gewünschten Rahmenverträge eingelassen und alle Vorschläge pauschal zurückgewiesen zu haben.

taz: Herr Forck, Sie wollten in der Auseinandersetzung um die besetzten Häuser vermitteln. Was haben Sie unternommen?

Gottfried Forck: Als ich Dienstag nacht angerufen wurde, habe ich zunächst versucht, mit den Ostberliner Polizeidienststellen zu telefonieren. In Friedrichshain versicherte man mir, es sei in der Nacht kein Einsatz geplant und es sei alles sehr ruhig. Das war nachts um halb eins, dann kam doch der Polizeieinsatz von drüben, um 6.30 Uhr. Dann habe ich mich mit einem Pfarrer und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung sowie dem Stadtbezirksbürgermeister in Verbindung gesetzt. Herr Pätzold war nicht zu sprechen. Abends führten wir ein langes Gespräch mit vier Besetzern, dem Senatsrat Bode, dem Friedrichshainer Bezirksbürgermeister, Innenstadtrat Krüger und Vertretern der Abgeordneten.

Hatten Sie das Gefühl, die verantwortlichen Politiker seien an einer Verhandlungslösung interessiert?

Den Eindruck konnte man nicht gewinnen. Konkret bezieht sich meine Kritik darauf, daß bei dem Vorgehen am Mittwoch in der Mainzer Straße der Kontakt zu dem Stadtbezirksbürgermeister in Friedrichshain nicht wahrgenommen wurde, daß man Verhandlungen, die auf dieser Ebene geführt wurden, nicht zur Kenntnis genommen hat, sondern die Polizeiaktion über den Kopf der örtlichen Behörden hinweg begonnen hat. Das erklärte mir Herr Pätzold eben damit, daß man Polizeiaktionen nicht vorher bekanntgeben dürfe, weil der Überraschungseffekt dann weg sei. Ich weiß nicht, ob er damit Recht hat und das Vorgehen verantwortbar ist. Ich hätte es richtig gefunden, wenn die örtlichen Verantwortlichen im Stadtbezirk Friedrichshain einbezogen worden wären, weil sie die wirklich Kundigen sind.

Allenthalben wird die Polizeiaktion in Zusammenhang mit dem Wahlkampf gebracht. Erklärt das Ringen um Stimmen das rüde Vorgehen der Regierungsmehrheit?

Ja, indirekt wird das schon der Fall sein. Ich kann mir denken, daß die SPD unter dem Druck derer steht, die sagen, die SPD tue nichts, sei schwach und werde nichts für die Einhaltung des Rechts unternehmen. Unter diesem Druck wird wohl die Entscheidung für die Räumung gefallen sein.

Welche Folgen wird der Häuserkampf für das Klima in Berlin haben?

Ich glaube, daß zunächst eine Verunsicherung eingetreten ist bei den Besetzern der noch mehr als hundert Häuser. Die wissen nicht, wie es weitergehen wird. Zum Teil besteht wohl jetzt eine Bereitschaft, sich auf Einzelmietverträge einzulassen. Zum anderen Teil ist da aber die Aggression. Es gibt die Befürchtung, daß die ehemaligen Bewohner der Mainzer Straße jetzt in anderen Häusern auftauchen werden, um von ihrer Negativerfahrung her andere zu beeinflussen. Das ist nicht auszuschließen. Da unter ihnen vielleicht eine Reihe von Leuten an einer friedlichen Lösung nicht primär interessiert sind, könnte das nachteilig sein.

Was würden Sie den verantwortlichen Politikern empfehlen?

Ich würde dringend raten, alles auf dem Verhandlungswege zu versuchen. Sie dürfen die Behauptung, daß Eigentümer ihr Haus frei haben wollen, nicht dazu benutzen, Gewalt anzuwenden. Auf dem Verhandlungswege sollte man die Besetzer von dem Sinn von Mietverträgen überzeugen und ernsthaft die von den Besetzern angebotenen Vertragsformen prüfen.

Haben Sie darüber auch mit Herrn Pätzold geredet?

Ja. Ich habe ihm berichtet von Anrufen der Besetzer, die wissen wollten, mit welchem Recht Hauseigentümer ihnen bis mittag ein Ultimatum für die Unterschrift unter einen Mietvertrag gestellt hätten. Beim Senat versicherte man mir, das sei nicht möglich, ein längerer Besinnungszeitraum müsse gewährt werden. Weiter war da die Frage, daß in der Mainzer Straße die Baukolonnen der Eigentümer Mobiliar aus dem Fenster geworfen haben. Dagegen habe ich Einspruch erhoben. Innensenator Pätzold hat mir zugesagt, er werde sofort dagegen einschreiten, sollten sich meine Angaben bestätigen.

Schließen Sie daraus auf einen Sinneswandel beim Senat?

Es scheint beim Senat und bei Besetzern eine Bereitschaft zu geben, die Vermittlerrolle, die ich angeboten hatte, anzunehmen.

Gilt das für die Mehrzahl der Besetzer?

Auf der Seite der Besetzer vom Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain sehe ich Verhandlungsbereitschaft. Ich habe nicht mit allen gesprochen. Aber die, mit denen ich in den vergangenen Tagen geredet habe, sagten mir im Namen auch anderer, daß diese Bereitschaft vorhanden sei. Interview: Petra Bornhöft