: Clark Gable und der letzte Kaiser
■ Das ARD-Spielfilmprogramm 1991 hält 378 Streifen bereit
Das Fernsehjahr 1991 wird wieder 365 Tage zählen, an denen die ARD seinem Publikum im Schnitt täglich 1,03 Spielfilme präsentieren wird (378 Stück), davon die Hälfte als Erstausstrahlung. Die bislang im Drei-Wochen-Turnus gesendete „Freitagspremiere“ wird auf einen Zwei-Wochen-Rhythmus angezogen. Umfangreicher fällt auch das herbstliche „Film-Festival“ mit Kurosawas Ran und Coppolas Rumble Fish aus. Besonders freuen wir uns auf David Mamets Haus der Spiele und Giuseppe Tornatores Cinema Paradiso. Mit großem Bildschirm läßt sich auch Bertoluccis Der letzte Kaiser goutieren.
Neben der „Freitags-Premiere“ und dem „Film-Festival“ werden interessante jüngere Produktionen erstmals auf 625 Zeilen gerastert. Darunter Terry Gilliams Brazil, D.O.A. und James Bond ist In tödlicher Mission unterwegs.
Zur besonderen Programmpflege zählen die überwiegend interessanten Reihen. Bette Midler, die schrille Tante mit dem rechten Haken, wird im Sommer fünfmal zuschlagen. Weitere fünf Auftritte gelten im Herbst dem schönen Gebrochenen mit dem unrasierten Dauerlächeln, Mickey Rourke. Die Hollywood- Veteranen Gregory Peck und Kirk Douglas werden anläßlich ihres 75. Geburtstags mit Filmreihen aus dem Repertoire geehrt. Zum 90. Geburtstag des 1960 verstorbenen Gebißträgers Clark Gable werden ab Februar sechs Erstausstrahlungen zu sehen sein. Zwei weitere Reihen erinnern an Ingmar Bergman (ab Juli) und Akira Kurosawa (ab Oktober).
Die schon für dieses Jahr angekündigte Reihe mit aktuellen sowjetischen Filmen ist ab Februar 1991 zu sehen. Weißer Knochen von Belaja Kotsch ist eine mit bescheidenen Mitteln gedrehte Satire auf mafia- ähnliche Organisationen, die sowjetische Staatsbetriebe unterwandern. Intergirl von Pjotr Todorowski erzählt die Geschichte sowjetischer Frauen, die ihren schlecht bezahlten Beruf nur nebenher ausüben, um die Nächte gegen harte Währung mit potenten Westlern zu verbringen. In der neugewonnenen Freiheit, radikale Filme wie Es — von Zaren und Monstern drehen zu können, sieht Regisseur Sergej Owtscharow allein noch keinen Grund zu Optimusmus. Seit die Kinematografie im Zuge der Perestroika auf westliche Sehgewohnheiten nachgerüstet wird, ist nur noch gefragt, was hohe Kasseneinnahmen verspricht.
Mit der „Tagebuch“-Trilogie ist im Jannuar eine Kurzreihe der führenden ungarischen Regisseurin Márta Mésázrós gewidmet. Besonderes Augenmerk gilt der für März vorgesehenen Hongkong-Reihe, mit der die ARD ihre mit China und Taiwan etablierte Fernost-Connection pflegt. Leben hinter Masken von Alex Law sorgte 1989 auf den Berliner Filmfestspielen für Aufsehen. Chicken and Duck Talk, der große Kassenerfolg der Hongkonger Kinosaison 1988, ist das gewürzte Gegenstück zu Juzo Itamis schnell kalt werdender Nudeloper Tampopo.
Die Frage nach den Besitzrechten des umfangreichen Filmbestands der DEFA-Filme ist, so Degeto-Chef Heimes, noch nicht geklärt. Nachzahlen muß die ARD für die Ausstrahlung einiger Filmpakete, da sich durch die Vereinigung ein größeres Sendegebiet ergeben hat. Durch den Wegfall der regionalen Verbreitung wird die beliebte Zwei-Kanal-Ausstrahlung (englisch-deutsch) leider eingestellt. Dem Vorwurf, die gegen Mitternacht driftende Sendezeit des „Filmfestivals“ sei nur noch für die Recorder, begegnete Programmchef Lackschewitz mit der Vermeldung von durchschnittlich über eine Million Zuschauer nach 23.00 Uhr. Der mit 55% als zu hoch beklagte Anteil amerikanischer Filme (gegenüber 13% deutschen) ist laut Lackschewitz ein „Trend, aus dem man sich nicht vollkommen ausgliedern kann“. Das etwa 1.350 Filme zählende MGM-Paket wird bis zum Jahr 2013 laufen, einzelne Filme noch bis 2022, für „die, die überleben wollen“. Manfred Riepe
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