DERTEUFLISCHETIP  ■  DANZIG

Helden gab es eine kurze Zeit, zwei, drei Jahre lang. Um Woodstock herum. Hendrix, Morrison, Joplin. Dann waren sie alle tot.

Was gab es danach schon noch für Helden? Besungene Nonames, denen alle möglichen »Best of...«-agierenden Großgruppen und Einzelentertainer wahlweise Lieder in den z.B. 70er Jahren gewidmet haben, damals, als die Sterne langsam untergingen. Jeden Monat ein Hitlied in den Charts, damit konnte man in der trostlos bunten Zeit einigermaßen leben: mal war es Elton John mit »Norma Jean«, dann erschwoll das Tremolo in Rod Stewards Stimme heiser für »Georgie«; Steve Harley beklagte »Sebastian« und Mick Jagger litt für »Angie«.

Die Namen hielten sich für die Zeit des Mitsummens im Ohr, bei Evergreens noch etwas länger, mit Aussicht auf einen Platz in der Geschichte (von links tritt auf die Bühne: Eleanor Rigby, graues Kleid, kurze Haare).

Später Punk. Helden-Selbst-Erzeugung als Muß des Unbekannten Anonymikers. Großkotzigkeit. »Ich bin ein Antichrist«, verkündete Johnny Rotten, katapultierte sich ans Firnament, von wo aus er schnell wieder absank. Bowie war da vorsichtiger, erträumte sich nur bedingt in Heldenposen hinein. In »Heroes« heißt das, Held sein zu können. Danach gab es keine Helden mehr. Aus. Vereinzelte, kleine Popidentities, sonst nix. Kleine Stammtischhelden, gut für einen Sommer (so wie Maffay, was haben wir gelacht).

Dann, Ende der 80er Jahre macht sich einer auf den Weg in die Arena, sich zu stellen, sich zu beweisen, sich einen Namen zu machen. »Ich bin's«, brüllt einer, klopft nicht erst an die Türe, sondern tritt sie gleich ein. Glenn Danzig, in schweren Stiefeln, Schultern mit Überbreite, den Zorn der Jahrtausende im Gesicht, nicht Messias, eher der Teufel. Und Rächer.

Er hat viele Namen und Titel: »The Wolf«, »The Beast«, »The One« oder »The Hunter«. Er ist der gefallene Engel, der zwar tief fiel, aber auf der Erde landete. Das ist seine Basis. Vom Boden handeln seine Songs. Dort kriecht die Schlange, dort paart sich das Dunkle in der Nacht.

Ein bißchen Okkultistisches? Vielleicht, denn es treibt die Erregung voran, läßt den Puls ein wenig höher flammen. Vor allem trägt es den Ton seiner Stimme in die Weite und verändert, was das Zuhören sonst so leicht macht. Sinn ist nicht das Phänomen, sondern die Stimme. Die Botschaft ist das Geräusch aus Brust und Kehle, nicht das Wort (wie sind nicht in der Kirche, wir sind im Tollhaus).

Er ist ein neuer Held. Manche vergleichen ihn mit Jim Morrison, doch der hat seine göttliche Manie, das, was sie ihm da von oben flüsterten, nicht verwunden auf Dauer. Jetzt eilt Glann Danzig mit Riesenschritten voran und brüllt wie ein verwundetes Tier. Er wird es überleben. Er schreibt sich dem Blues ein. Er ist wie eine Geburt aus dem Geist des Punk. Für Jünger und solche, die es werden wollen. Harald Fricke

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