Der ektoplasmatische Cary Grant

■ Mit »Topper« startet eine »Gentleman-Actor«-Reihe im Arsenal

In gewisser Hinsicht könnte man in Topper eine frühe Kinoversion der beliebten Vorabendserie Hart, aber herzlich sehen. Und zwar ob der gleichen, überaus bemerkenswerten Paarkonstellation: Wie die beiden Harts sind Marion und George Kerby (Constance Bennett und Cary Grant) verheiratet, glücklich, reich und kinderlos. Letzteres tritt jedoch nie als Abweichung von der Normfamilie oder als zu behebender Mangel in Erscheinung, sondern ermöglicht es den Ehepaaren, als vertraute Komplizen viele Abenteuer zu erleben und sich zu zweit oder in Gesellschaft prima zu amüsieren.

Die Lebensfreude der beiden Kerbys reicht sogar über den Tod hinaus: Nach einer langweiligen Aktionärsversammlung lädt George seine unternehmungslustige Frau zu einem Ausflug in ihrem »fancy« Zweisitzer ein. Georges waghalsig-übermütiger Fahrstil läßt die Partie vorzeitig mit einem Unfall enden. Da liegen sie, tot im Unterholz, Marions Beine verrenkt wie die einer umgefallenen Schaufensterpuppe. Doch schon Sekunden später auferstehen sie als Geister in Gestalt einer sorgfältig-hübschen Doppelbelichtung. »You're getting transparent. I think we're dead, Honey!« sagt da der durchsichtige George zur durchsichtigen Marion. Sie antwortet ungläubig: »I don't feel any difference.« Schnell lernen die beiden ihre neue Fähigkeit, nach Belieben sichtbar oder unsichtbar zu sein, konstruktiv oder zum eigenen Vorteil zu nutzen. Marion kann endlich dem devot-intriganten Liftboy eine runterhauen, George repariert eine Autopanne, ohne dabei sein tadelloses Cary- Grant-Outfit zu beschmutzen, und ständig schubsen sie irgendwelche Herumstehenden, die sich jeweils mit einem verdutzten »Stop pushing me!« über die unsichtbaren Rüpel empören. Hauptsächlich aber widmen sie sich ihrem gemeinsamen Freund und Bankier Cosmo Topper (Roland Young), dessen Eheleben ihrer Auffassung nach unter selbstauferlegter Langeweile und Askese leidet. Unter sachkundiger Betreuung läßt sich Topper, widerspenstig und wissensdurstig zugleich, in die Welt des Alkohols, der Damenunterwäsche und des Nachtlebens initiieren. Eine überaus erfolgreiche Form von Ehetherapie, wie sich am Ende herausstellt.

Topper von Norman Z. McLeod war einer der erfolgreichsten Filme des Jahres 1937. Eine Screwball-Komödie, die nichts anderes will, als das Publikum beschwingt und guter Dinge aus dem Kino in die nächste Bar zu entlassen. Seine Beliebtheit verdankt der Film den flotten Dialogen, der Berühmtheit der Hauptdarsteller, aber sicher auch einer genuin filmischen Auflösung der Romanvorlage von Thorne Smith. Die ganze Geschichte baut dramaturgisch auf das Ektoplasma auf, also auf jene Substanz, die nach spiritualistischem Verständnis während der Trance von Medien ausströmt und in diesem speziellen Fall das Geisterdasein von George und Marion erklärt. Zugleich bezeichnet das Ektoplasma aber auch eine biologische Substanz, nämlich die äußere Schicht des Protoplasmas bei Einzellern. Diesen beiden Bedeutungsvarianten ist es nirgendwo vergönnt, sich zu begegnen, denn im Zelluloid. Dort, wo man spiritualistische Begebenheiten erzählen, aber auch, mittels chemisch-technischer Bearbeitung der organischen Beschichtung, sichtbar machen kann... Bei seinem Erscheinen wurde Topper immer wieder für die Raffinesse bei der Trickbearbeitung gelobt — von heute aus betrachtet, wirken die Autofahrten mit dem unsichtbaren Cary Grant am Steuer und freischwebende Spitzendessous wie liebenswert-schrullige Erinnerungsstücke aus dem Präcomputerzeitalter.

Das Arsenal zeigt Topper im Rahmen einer umfangreichen Retrospektive des »Gentleman Actors«, zu dem Hitchcock etwas boshaft bemerkte, daß man aus ihm unmöglich einen Mörder machen könne. Fast im Kontrast zu seinem Image als Mann, der eine »magische Anziehungskraft auf Frauen« (Heyne-Filmbibliothek) ausstrahlt, war Cary Grant im wirklichen Leben nie in einen ordentlichen Skandal verwickelt, Mae West hielt ihn gar für ausgesprochen geizig. 1953 hatte Cary Grant resigniert erklärt, daß er seine Schauspielerkarriere beenden wolle: »Es war die Periode der Bluejeans, der Rauschgiftsüchtigen... und niemand machte sich überhaupt noch etwas aus Komödien.« Hitchcock aber überredete den Publikumsliebling zwei Jahre später, diesen Entschluß rückgängig zu machen. Und so kommt es, daß Cary Grants Filmographie insgesamt 72 stolze Titel zählt. Über 30 davon werden bis Ende Januar im Arsenal-Kino zu sehen sein, darunter die vier Hitchcock-Klassiker Suspicion, Notorius, To Catch A Chief und North By Northwest, Howard Hawks' Bringing Up Babyund Frank Capras Arsenic And Old Lace. Dorothee Wenner

Topper (OF) läuft heute um 22 Uhr 15 und am 29.11. um 18 Uhr.