Zukunft ohne Thatcher

■ Die britischen Konservativen ebnen den Weg für eine weniger ideologische Politik KOMMENTARE

Maggie, Maggie, Maggie — out, out, out!“ — Diese Parole fast jeder Demonstration, die während des vergangenen Jahrzehnts in Großbritannien stattfand, geht endlich in Erfüllung. Die schwachen außerparlamentarischen Bewegungen haben mit Thatchers Abgang jedoch nur wenig zu tun. Hintergrund des jähen Endes der Eisernen Lady ist vielmehr die Furcht vieler Konservativer, das ehemals die Welt beherrschende Königreich würde bei dem Aufstieg der Weltmacht (EG-)Europa keine Rolle mehr spielen. Auch bestand die Gefahr, daß Thatchers Unpopularität der Labour-Opposition bei den nächsten Wahlen, die bis zum Frühjahr 1992 stattfinden müssen, zum Sieg verhelfen würde.

Die sichere Niederlage in der Auseinandersetzung mit ihrem parteiinternen Opponenten Heseltine vor Augen, warf Margaret Thatcher das Handtuch, ohne bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Auch bei einer „eisernen“ Politikerin dominierte schließlich der Machtinstinkt des Parteiarbeiters: Sie konnte es nicht übers Herz bringen, die Tories mit sich in den Abgrund zu reißen. Mit Thatcher geht eine Ära zu Ende; und so sehr sich besonders der rechte Flügel der Konservativen dagegen sträuben wird, auch der „Thatcherismus“ — dieses ideologisch überhöhte Kreuzrittertum gegen „den Sozialismus“, „den Staat“, die „EG-Bürokratie“ und für „die Freiheit“ (des Marktes). Wer auch immer ihr Nachfolger wird, seine Politik wird weniger ideologisch und mehr pragmatisch sein. Einige soziale Zugeständnisse, ein anderer Akzent in der EG-Politik und ein kollegialerer Regierungsstil werden mit dem neuen Herren jedenfalls kommen.

Der Rahmen jedoch, in dem diese Veränderungen konservativer Politik sich abspielen werden, ist eng: die rechten Thatcheristen machen ein gutes Drittel in der Parlamentsfraktion aus. Die Wirtschaft geht bergab. Im Golf oder in der Rüstungspolitik wird wahrscheinlich weiter mit dem Säbel gerasselt werden, und eine ökologischere Politik ist zumindest kurzfristig kaum zu erwarten.

Eins ist dennoch gewiß: es wird spannend in der britischen Politik. Das Rennen zwischen Labour und Konservativen ist offen. Die neue konservative Regierung wird sich eine teilweise erneuerte Programmatik erarbeiten. Und die Labour Party wird ihre politischen Alternativen präzisieren müssen, da wohlklingende Allgemeinplätze und Vertrauen auf die Unpopularität Thatchers gegen den neuen Mann in der Downingstreet nicht reichen werden. Vielleicht werden sogar die Inhalte statt der Persönlichkeiten in den Vordergrund der politischen Debatte rücken: besonders wenn der farblose Kinnock gegen einen ebenfalls farblosen Konkurrenten wie Hurd oder Major antreten muß. Aber: Die PR-Abteilungen beider Parteien werden eine solche Entwicklung schon zu verhindern wissen. Jerry Sommer