Im Wahrheitsministerium

■ Über die Struktur der irakischen Medien

Das öffentliche Nachrichtensystem des Irak hat einfache Regeln, um die öffentliche Meinung unter Kontrolle zu bringen. Die Methoden entstanden in acht Jahren Krieg gegen den Iran und sind Ausdruck der blutigen und aggressiven Ideologie und Praxis des Ba'ath- Regimes; hauptsächlich geht es darum, die Glaubwürdigkeit eines ausgesuchten Opfers zu unterminieren. Über 60 Prozent der regierungsamtlichen Zeitungen wie 'Al- Thawra‘, 'Al-Qadissiya‘ oder 'Al- Jumhoriyah‘ gehen täglich an die Druckereien zurück. Der größte Teil der restlichen 40 Prozent wird kostenlos an Mitglieder der Armee, der Partei und der Studentenorganisation der Partei verteilt; für Parteimitglieder empfiehlt sich die Lektüre in Vorbereitung auf die Loyalitätsprüfungen, denen sie ab und an unterworfen werden.

Wie im Roman 1984 von George Orwell kann sich die Definition „des Feindes“ im Irak jederzeit ändern; Verbündete werden zu Feinden, und innerhalb weniger Tage verändern sich die Begriffe von Gut und Böse. Die „Verwaltung für politische Führung“ innerhalb des irakischen Verteidigungsministeriums ist durch Ba'ath-Parteimitglieder besetzt; diese Institution ist außerordentlich einflußreich und nimmt aufgrund des nahezu permanenten Kriegszustandes — mit den Kurden, dem Iran und jetzt mit fast allen anderen arabischen Staaten samt dem Westen — eine Schlüsselstellung im Regime des Saddam Hussein ein. Diese Institution ist dafür verantwortlich, daß Offiziere, Funktionäre und Parteimitglieder die Tageszeitungen lesen, und sie überprüft auch ihre Kenntnisse bezüglich der Reden und Belehrungen Husseins.

Das „Planungskomitee für Nachrichten“ befindet sich in drei Büros im neunten Stock des Informationsministeriums in Bagdad, direkt neben dem Büro des Ministers. Der Minister ist Vorsitzender einer täglichen Konferenz, der 30 Teilnehmer aus der offiziellen Nachrichtenagentur IRNA, des Fernsehens, des Rundfunks und der Presse beiwohnen. Der Erste Stellvertreter des Ministers (Abdel-Jabar Muhssen), ebenfalls Vorsitzender der „Verwaltung für politische Führung“, bereitet dafür einen Bericht vor, der sich zusammensetzt aus Kurzberichten der irakischen Presseoffiziere in aller Welt und Informationen durch international akkreditierte irakische Journalisten.

Das Komitee hat bezüglich der Medien eine doppelte Aufgabe. Auf der einen Seite gibt es seine eigene Version aus über internationale Ereignisse und färbt sie mit einer spezifisch irakischen Interpretation. Diese Statements gereichen besonders der irakischen Mittelklasse zum täglichen Amüsement, da sie weiszumachen versuchen, Präsident Saddam Hussein werde in aller Welt geliebt und bewundert. Das Komitee wählt internationale Nachrichten außerdem in einer Weise aus und „redigiert“ sie, daß sie kaum wiederzuerkennen sind und im Leser nur das Gefühl auslösen können, gegen den Irak sei eine internationale Verschwörung im Gange, die ausgeht von pro- israelischen „Zionisten“ und europäisch-amerikanischen „Imperialisten“.

Auf der anderen Seite bemüht sich das Komitee, sich die Unterstützung durch ausländische, zumeist arabische Journalisten zu sichern, die in der Regel aus dem Budget des Informationsministeriums bezahlt werden und die das „negative Image Iraks im Ausland“ korrigieren sollen. Man stellt außerdem Listen zusammen mit Namen von ausländischen Journalisten, die in den Irak eingeladen und vom Informationsministerium ausgehalten werden sollen, damit sie „besser informiert“ werden. Nach der Invasion Kuwaits sind all diese Aktivitäten intensiviert worden, allerdings mit wenig Erfolg außerhalb Iraks.

Die Berichterstattung innerhalb des Iraks hat sich seit der Invasion Kuwaits merklich geändert. Der Iran ist nicht mehr der Feind und der Islam keine altmodische Religion mehr, obwohl Mitglieder der islamischen Daawa-Partei weiterhin verfolgt werden, da die Partei seit dem 31.März 1980 illegal ist. Damals wurden auch Tausende von religiösen Büchern beschlagnahmt und ihre Besitzer verhaftet und gefoltert; ebenso war der Besitz der religiösen Wohltätigkeitsorganisationen eingezogen worden.

Heute verbreiten die Medien das Bild von Saddam Hussein als einem kämpferischen Moslem und tiefgläubigen Mann. Die Feinde sind jetzt der Westen, der Imperialismus und die reaktionären Araber, die steinreich sind, ihren Reichtum jedoch nicht mit den armen Arabern teilen wollen; Kommunisten und Sozialisten jedoch, die diese Linie schon seit Jahren propagieren, werden verfolgt, ins Gefängnis geworfen und selbst im Ausland noch ermordet. Nichts spricht dafür, daß die Medienkampagne der Baath-treuen Presse auf Widerstand von innen treffen könnte, und das Regime sorgt dafür, daß ausländische Zeitungen oder Bücher, die solchen Auffassungen widersprechen, nicht ins Land gelangen. In den irakischen Medien herrscht Sektierertum und Rassismus (beispielsweise sind Araber besser als Kurden), und wer ausländische Sender hört, wird schwer bestraft. Nicht wenige Oppositionelle sind deshalb exekutiert worden. Wer regimefeindliche Flugblätter verteilt, kann zu lebenslänglicher Haft oder zum Tode verurteilt werden. Adel Darwish/

Dr. Waleed al-Helli