Eine Berliner Legende

■ Dieter Müller belegte gestern im Berliner Weltcup-Turnier im Dreiband den vierten Platz PORTRÄT

In das schulterlange blonde Haar mischen sich die ersten grauen Strähnen. Mit 47 Jahren gehört Dieter Müller zu den älteren im Kreis der Billardprofis, die seit 1986 in einer Turnierserie den Weltmeister im Dreibandbillard ausspielen. „Profi“ bedeutet dabei eigentlich nur, daß um Preisgelder gespielt wird, statt um Silberpötte. Die Preisgelder sind in den seltensten Fällen mehr als ein schönes Zubrot, und in der Ausschließlichkeit und Hingabe, mit der Dieter Müller an seinem Spiel arbeitet, war er schon seit Jahren Profi — davon zeugen die zahlreichen Welt- und Europameistertitel in anderen Billarddisziplinen, die ihn zum einzigen deutschen Spieler in der Weltspitze machten und zu einer Berliner Legende obendrein.

Zum Dreiband kam Dieter Müller eher beiläufig — nachdem er Mitte der sechziger Jahre einen Billardsalon eröffnet hatte, um sich endlich selbst die nötige Zeit zum Training zu verschaffen. Im Spiel mit Freunden und Bekannten hätte er in den anderen Disziplinen mit ihren endlosen Serien bei seiner Spielstärke stundenlang den Tisch blockiert — so spielte er Dreiband, wo es selten zu mehr als fünf Punkten hintereinander kommt. Als dann 1986 der Weltcup eingeführt wurde, sah er darin eine neue Herausforderung und machte mit — obwohl ihn der deutsche Amateurverband empört für einige Zeit ausschloß. Inzwischen haben sich die Wogen einigermaßen geglättet, aus dieser Richtung kommen keine Schwierigkeiten mehr — dafür drängt inzwischen eine ganze Phalanx junger Spieler nach: Der Weltcup hat im Dreiband eine Leistungsexplosion ausgelöst.

Genau genommen kam der Weltcup für Dieter Müller zu spät. Die absolute Weltspitze wird er nicht mehr erreichen. Für einen sicheren Platz im Teilnehmerfeld hatte es aber immer gelangt. Im letzten Jahr dann konnte er, der in seinem Berliner Heimatturnier zuvor immer ziemlich glücklos gespielt und seine Erfolge im Ausland errungen hatte, in Berlin zwar nach einem begeisternden Sieg über den schwedischen Weltmeister Blomdahl den vierten Platz erkämpfen, blieb danach aber erfolglos und rutschte unversehens aus dem Feld der besten acht Teilnehmer. In der diesjährigen Turnierserie war er daher auf eine Wild Card der Veranstalter angewiesen: eine ungewohnte Situation. Mit seinem vierten Platz im Berliner Weltcup-Turnier am letzten Wochenende hat er jedoch die Chance gewahrt, im nächsten Jahr wieder aus eigener Kraft dabei zu sein. Dieter Müller, ein Profi schon in seiner Zeit als Amateur, ist auch als Profi in seinem Auftreten und Verhalten gegenüber anderen Spielern ein Amateur geblieben: ein Liebhaber des Spiels. Meino Büning