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Nicht Pakete, sondern Moneten

■ Das Deutsche Rote Kreuz wünscht Geldspenden für die Sowjetunion, keine privat gepackten Päckchen

Berlin. »Der gute Wille ist fast erschlagend«, meinte gestern die Pressesprecherin des Roten Kreuzes, Eva-Maria Wehling, »am liebsten würden die Leute die Hilfspakete in die Sowjetunion persönlich adressieren«. Doch vor privat gepackten Weihnachtspäckchen warnte der Leiter der DRK-Auslandshilfe Otto gestern in aller Dringlichkeit: »Der Postweg ist im Augenblick nicht empfehlenswert, da extrem hohe Einfuhrzölle erhoben werden, die Laufzeiten extrem lang sind und die Wahrscheinlichkeit des Verlustes ziemlich groß ist.« Privat verpackte Pakete wären die »teuerste und am wenigsten nutzbringende Form der Hilfe«, erläuterte auch der Berliner Präsident des DRK, Wolfgang Schmidt. Jedes in Berlin abgegebene Paket müßte zur zentralen Hilfsstelle nach Köln geschickt und dort geprüft werden. Viel sinnvoller wären Geldspenden auf das zentrale Kölner Konto. Auf jeden Fall verzichten kann das Rote Kreuz auf gebrauchte Kleider. In Leningrad herrsche kein Erdbeben, sondern Hunger, erläuterte Otto.

Am Wochenende vereinbarte in der Sowjetunion eine Delegation des DRK mit der »Allianz der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften der UdSSR« eine »Rotkreuz-Solidaritätsaktion« für den Großraum Moskau. Verabredet wurde, informierte der Berliner Präsident, daß die deutschen Spendengelder für Lebensmittel, medizinischen Gebrauchsgüter und Medikamente ausgegeben werden. Mindestens drei Monate lang wird das Rote Kreuz, insgesamt 20 Kinderheime, Pflege- und Altenheime, Behinderteneinrichtungen und Distrikt-Krankenhäuser mit dem Nötigsten versorgen. Als erste Rate wurden drei Millionen DM bereits zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus sollen Lebensmittelpakete durch Krankenschwestern des Sowjetischen Rotes Kreuzes an alte und pflegebedürftige Menschen verteilt werden. Das DRK wird den Einkauf zentral organisieren, den Sammeltransport in die UdSSR und die Verteilung vor Ort übernehmen und überwachen. Gedacht ist an die Verteilung von Standardpaketen mit Grundnahrungsmitteln im Wert von je 50 DM. Die Päckchen werden gefüllt mit Waschmittel, Speiseöl, Margarine, Dosenmilch, Wurst und Fleisch in Dosen, Schokolade, Fischdosen, Beutelsuppen, Bouillonwürfel, Mehl, Kaffee, Zucker, Trockenobst, Haferflocken, Dauerkäse und Nudeln.

Äußerst erfreut über die deutsche Spendenbereitschaft zeigte sich gestern auch der sowjetische Generalkonsul Rudolf F. Alexejew. »Diese Aktion ist ein Unterpfand der Freundschaft für ein zukünftiges Gesamteuropa«, sagte er. Zuversichtlich äußerte er sich vor der Presse, daß »schon bald die Flugzeuge und Lastwagen der Roten Armee für die deutschen Hilfswerke fliegen und rollen werden«. Eine auch in Deutschland bekannte sowjetische Institution wird nach Alexejews Angaben mithelfen, daß mit den Hilfsgütern kein Mißbrauch getrieben wird. Der Name dieser vertrauenswürdigen Institution: KGB. aku

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