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Verrückter Fußball

■ Skandale und Betrugsaffären in Frankreich PRESS-SCHLAG

Mächtig ins Zwielicht ist nach einer beispiellosen Serie von Enthüllungen über schwarze Kassen, Bestechung, Steuerschwindel, Tarnfirmen, nach Anklageerhebungen und Verhaftung von Clubchefs, der französische Fußball geraten.

Die Lawine kam durch einen Skandal in einem kleineren Verein ins Rollen: Zwei Manager des Fußballclubs von Toulon sitzen seit dem 12. Oktober hinter Gittern. Sie sollen eine „schwarze Kasse“ geführt haben, aus der unter der Hand Provisionen für Spielerwechsel gezahlt wurden. Im Rampenlicht der Affären stehen jedoch zwei dicke Fische des französischen Fußballs: Jean-Claude Darmon, der als geschickter Reklamemakler die größten französischen Vereine (Auxerre, Bordeaux, Lyon, Nizza, Paris Saint-Germain) und auch die Nationalmannschaft finanzierte, und Claude Bez, der temperamentvolle Präsident des angesehenen Vereins Girondins Bordeaux.

Beide konnten ihrer Inhaftierung nur durch Hinterlegung einer Millionen-Kaution entgehen. Der 49jährige Darmon soll Unterlagen gefälscht, Unterschlagungen begangen und vor allem Tarnfirmen zur Deckung von Immobiliengeschäften benutzt haben. Der Sturz des einst allmächtigen Fußball-Finanziers bringt das ganze Gebäude des französischen Profi-Fußballs ins Wanken. Das aus bescheidensten Verhältnissen stammende Geschäftstalent nahm in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten die Werbe- und Fernsehverträge der Mehrzahl der 20 Erstliga-Vereine und die des französischen Fußballverbands in die Hand.

Unter seiner Regie trat der französische Fußball in das Zeitalter der Riesensummen für Werbung und Fernsehübertragungsrechte sowie des Sponsorings ein. Der Umsatz stieg binnen zwölf Jahren um mehr als das Zwanzigfache — von 37 Millionen Francs (rund elf Millionen Mark) im Jahr 1977 auf 900 Millionen Francs (rund 270 Mio. Mark) im vergangenen Jahr.

Der ein Jahr ältere Bez, seit zwölf Jahren an der Spitze der Girondins, ist gleichfalls wegen zwielichtiger Immobilienaffären, Amtsmißbrauchs und Betrugs in die Mühlen der Justiz geraten, desgleichen einer seiner Söhne.

In Frankreich lockt der Fußball keine Zuschauermassen in die Stadien — im Durchschnitt kommen rund zehntausend Besucher zu einem Spiel, ein Drittel weniger als in Italien. Aber die französischen Kicker gehören zu den bestbezahlten der Welt, von den fabelhaften Summen ganz zu schweigen, die bei einem Spielerwechsel zu einem anderen Club fällig werden. So setzten die Vereine ganz auf Werbung und Fernsehrechte, um ihre Kassen zu füllen, und Darmon war dabei ihr Wundertäter.

Hat das Geld den Fußball verrückt gemacht? Diese Frage stellten nun die Presse und auch mancher Sportfunktionär, der bisher an die Sauberkeit des Sports glaubte. Wie anders läßt sich die Beiläufigkeit erklären, so meinten in diesen Tagen die Zeitungen, mit welcher der Oberbürgermeister von Bordeaux, Jacques Chaban-Delmas, mitteilte, daß in der Kasse der Girondins über 70 Millionen Mark fehlten, daß er aber dem Clubpräsidenten zugleich erneut sein Vertrauen aussprach, nur wenige Tage bevor dieser angeklagt wurde?

Roger Bambuck, Staatssekretär für Jugend und Sport und selbst einstiger Spitzensportler, hat dem „Schmutz im französischen Fußball“ den Kampf angesagt. Er will mit neuen Finanzierungswegen für „mehr Transparenz“ sorgen. Transparenz ist auch das Ziel von Budgetminister Michel Charasse, der derzeit die Bücher aller Vereine akribisch prüfen läßt und auf dessen Nachforschungen die meisten bisherigen Anklageerhebungen und Haftbefehle zurückgehen. afp

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