Windrose tiefgefroren

■ Mitterrand löste Geheimorganisation rechtzeitig auf/ Ihre Aufgaben haben längst andere Dienste übernommen

Dieses eine Mal war Frankreichs Staatspräsident schneller als die Öffentlichkeit. Noch bevor auch nur ein Blättchen von der Existenz eines französischen „Gladio“ hätte munkeln können, löste Mitterrand die „Windrose“ auf, nachdem er von dem politischen Aufruhr in Italien Wind bekommen hatte. Eine vierzig Jahre lang versteckt gehaltene Résistance für alle Fälle, eine Truppe, die sich in der Fremdenlegionärskaserne von Calvi im Gebrauch von Feuerwaffen, Granaten und Funkgeräten übt — das war für die Pariser Presse allerdings auch kein Grund zur Aufregung. Keine einzige Zeitung hat den Fall „Windrose“ für so wichtig erachtet, ihn auf die ersten Seiten zu plazieren. Die (gewiß etwas dubiosen) Meldungen aus Italien, wonach das französische „Gladio“ die Rückkehr de Gaulles 1958 mitvorbereitet habe, wurden noch nicht einmal zur Kenntnis, geschweige denn zur Erkenntnis genommen. Der 'Figaro‘, zur Zeit fast täglich mit dem Aufdecken neuer Geheimdienstskandale beschäftigt, hüllte sich in auffälliges Schweigen, und 'Le Monde‘ übte sich in präventiver Apologetik. Selbst wenn Mitterrand die rostige Windrose aufgelöst habe, so wären ihre Aufgaben ohnehin schon längst wie anderswo auch von den klassischen Geheimdiensten übernommen worden. Die „Direction générale de la sécurité extérieure“ (DGSE), der bis zuletzt auch die Leitung der Windrose oblag, sei qua Amtes auf ein Abtauchen in den Untergrund vorbereitet. Sämtliche Aktivitäten „Gladios“, vom „Exfiltrieren“ wichtiger Politiker bis zum Verstecken von Geheimdokumenten und dem Kontakthalten mit einer Exilregierung würden von der DGSE geübt und beherrscht. Auch wären die entsprechenden Dienste nach wie vor so organisiert, daß die streng voneinander isolierten Einheiten innerhalb kürzester Zeit mobilisierbar wären.

Merke: Windrosen welken nicht. Alexander Smoltcyk