Annäherung hinter den Genfer Gatt-Kulissen

In der Agrarfrage zeichnet sich ein Kompromiß zwischen EG und USA ab  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Während die offizielle Fassade völlig unversöhnlicher Positionen zumindest bis nach Schließung der deutschen Wahlurnen am Sonntag abend aufrecht erhalten werden soll, zeichnen sich bei den Gatt-Verhandlungen längst Kompromißmöglichkeiten in der umstrittenen Frage der Agrarsubventionen zwischen der EG und den USA ab. Offen ist, ob auch andere Länder einem solchen Kompromiß zustimmen, und ob er ausreicht, auch zur Überwindung der Differenzen in anderen Verhandlungsbereichen beizutragen.

Nach den hinter Genfer Kulissen diskutierten Eckwerten würden die internen Agrarsubventionen de facto etwa doppelt so stark gekürzt, als von der EG bislang vorgeschlagen. Die Zahlen im bisherigen EG-Papier: 30Prozent Kürzung über den Zeitraum 1986 bis 1996, auf der Berechnungsgrundlage des Jahres 1986. Da 1986 das Rekordsubventionsjahr der EG war, ergäbe sich nach diesem Modell für den gesamten Zehnjahreszeitraum 1986 bis 1996 jedoch unter dem Strich nur eine Kürzung von rund 15Prozent. Die USA, aber auch die Cairns-Gruppe schlugen bislang eine Reduzierung von 75Prozent im Zeitraum 1991 bis 2001 vor, berechnet auf Basis ihrer Subventionszahlungen im Jahr 1991. Der unter anderem auch von Gatt-Generaldirektor Arthur Dunkel befürwortete Kompromiß lautet nun, als Berechnungsgrundlage die Subventionsdaten vom April 1989 heranzuziehen und dieses Datum auch als Beginn des Reduzierungszeitraumes festzulegen. Im April 1989 fand eine „Zwischenüberprüfung“ der 1986 begonnenen Uruguay-Runde statt, und die EG ist mit ihrem Vorschlag, den Beginn der Subventionskürzungen auf ein Datum drei Jahre vor dieser Prüfung zu terminieren, ohnehin unter den Gatt- Teilnehmern völlig isoliert.

Wie Agrarminister Clayton Yeutter gegenüber der taz erklärte, sind die USA inzwischen bereit, sowohl über ein anderes Berechnungsjahr als auch über eine Verkürzung des gesamten Reduzierungszeitraumes zu verhandeln. Der US-Delegationsleiter bei den Gatt-Verhandlungen hatte dies bis vor kurzem noch kategorisch ausgeschlossen. Bereits durch Heranziehung des Berechnungsdatums April 1989 würden sich die auf EG-Seite anfallenden Kürzungen von de facto 15 auf fast 30 Prozent erhöhen. Agrarminister Kiechle, der noch am Dienstag „substantielle Änderungen“ des bisherigen EG-Angebots auch nach der Wahl ausgeschlossen hatte, und seine elf Amtskollegen könnten nach außen hin weiterhin mit der Zahl „30 Prozent“ operieren. Bezüglich Exportbeihilfen, deren Kürzung um 90 Prozent die USA und die Cairns- Gruppe verlangen, für die die EG aber in ihrem Gatt-Papier keinen konkreten Zahlenvorschlag gemacht hatte, verlaufen die Kompromißgespräche derzeit entlang des kanadischen Vorschlags von 50 Prozent. Als Freihandelspartner der USA und Mitglied der Cairns-Gruppe kommt Kanada hier eine entscheidende Vermittlerrolle zu. 40 Prozent gilt unter Genfer Unterhändlern als das Minimum, unter das Washington nicht gehen will. Für ein Entgegenkommen der EG bedarf es einer sehr großzügigen Interpretation der „nicht handelsverzerrenden“ Beihilfen, die als Kompensation für Subventionseinbußen geleistet werden dürfen. Auch hier deutete US-Agrarminister Yeutter Flexibilität an.