Hungerstreik gegen Sonderhaft

■ Seit drei Wochen kämpft ein Gefangener aus dem Celler Knast gegen Sonderhaftbedingungen

Hannover (taz) — Mit einem Hungerstreik wehrt sich der Gefangene Dieter Essmann seit drei Wochen gegen seine jahrelange Isolation auf einer Sicherheitsstation des Gefängnisses in Celle. Essmann ist zu lebenslanger Haft verurteilt. Gleich zu Beginn seines Hungerstreiks hatte der Gefangene sich über seinen Anwalt an die niedersächsische Justizministerin Heidi Alm-Merk (SPD) gewandt und die „Aufhebung seiner diskriminierenden Haftbedingungen“ und die „Zulassung zu einem Realschulkurs“ verlangt. Vor zwei Tagen mußte Dieter Essmann von Celle in das Justizvollzugskrankenhaus nach Lingen verlegt werden. Die rot-grüne Justizministerin, die nach dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen auch „im geschlossenen Vollzug neue Wohn-, Arbeits und Lebensformen“ verwirklichen will, ist dem Gefangenen bisher allerdings eine Antwort auf sein Schreiben schuldig geblieben.

Daß Essmann seit seiner Einlieferung in den Celler Knast im Januar 1987 wesentlich „schärferen Haftbedingungen“ als andere Gefangene unterliegt, bestreitet auch Anstaltsleiter Paul Kühling nicht. „Zusammen mit anderen Gefangenen hat Herr Essmann versucht, gegen die Anstaltsleitung zu hetzen“, begründet Kühling die jahrelange Isolation des Gefangenen auf einer gesondert gesicherten Station, die im Celler Knast die „Blechseite“ genannt wird. Auf der Blechseite gibt es grundsätzlich keinen Aufschluß der Zellen. Diese bleiben auch während der Mahlzeiten und der Zellenreinigung geschlossen. Die etwa zwanzig Gefangenen sind von den Sport- und Freizeitveranstaltungen ausgeschlossen. Seit Dieter Essmann aus Protest gegen diese strikte Einzelhaft sich vor 13 Monaten weigerte, in der Anstalt zu arbeiten, konnte er nur noch zwei Stunden am Tag während des Hofganges mit anderen Gefangenen kommunizieren. Dem Wunsch des Gefangenen, statt zu arbeiten, einen Realschulkurs zu besuchen, will Anstaltsleiter Paul Kühling nicht nachkommen, weil dessen „Strafe voraussichtlich erst 1998 endet und bis dahin immer noch Zeit für den Kurs bleibt“.

Mit seinem Hungerstreik will Essmann auch für die anderen Gefangenen auf der Blechseite die Aufhebung der Sonderhaft erreichen. „Die restriktiven Haftbedingungen der in besonderen Abteilungen untergebrachten Gefangen in normale Haftbedigungen umzuwandeln“, das haben allerdings auch die niedersächsische SPD und die Grünen in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen. Jürgen Voges