Muttertage Weihnachtszeit

■ Das Weihnachtsmärchen als Musical: „Peter Pan“ hatte am Samstag Premiere im Bremer Theater

Ein goldner Rahmen mit goldnen römischen Säulen, daran hängt ein roter Samtvorhang, auf dem tausend bunte Sternchen glitzern: ein Theaterprospekt, wie man ihn aus Kinderbüchern und Ausschneidebögen kennt.

Und dann geht der Vorhang auf, dahinter ein Kinderzimmer in weißem Schleiflack. Das Kinderzimmer der Darling-Kinder Wendy, John und Michael. Eine stinknormale Familie, bis das Phantastische über sie hereinbricht. Eine stinknormale Familie?

Zumindest die Bonne ist ausgefallen: ein großer, zottiger Hütehund mit Namen Nana. Und hätte Vater Darling seiner Familie nicht beweisen wollen, daß nicht Nana, sondern immer noch er der Herr im Hause ist, dann wäre die ganze Geschichte nicht passiert: denn kaum ist Nana in den Hof verbannt, die Kinder eingeschlafen und die Eltern ausgegangen, da fliegt ein seltsames Wesen ins Kinderzimmer: Peter Pan, halb Mensch, halb Zauberwesen. Klein, drahtig, mit nacktem Oberkörper und ledernem Schwanzschutz, ist er ganz ausgestellte Männlichkeit; aber Mann, das ist es, was er gerade nicht werden wollte — und darum ist er als Kind zu den Elfen und Feen geflohen.

Peter Pan ist nicht das erste Mal — unsichtbar — im Darlingschen Kinderzimmer, um sich Mutter Darlings Geschichten anzuhören. Letztesmal wäre er um ein Haar von Nana erwischt worden. Dabei hat er seinen Schatten im Zimmer verloren, den er nun wiederholen möchte. Da sieht ihn Wendy, verliebt sich sofort und will mit ihm und den Brüdern in den Feenwald. Zu viert fliegen sie mit dem Bett ins „Immerland“, in dem Peter Pan mit den „Verlorenen Jungs“ lebt. Die wollen auch nicht erwachsen werden, sondern immer spielen und Gefahren begegnen — zum Beispiel Indianern und Piraten.

Und schon schleicht's im Wald, die Indianer kommen, nein, die Indianerinnen — auf Stöckelschuhen und in Badeanzügen wie auf dem Laufsteg. Zum Vergnügen vor allem der erwachsenen Zuschauer, aber auch die Kinder kichern. Als dann die Piraten bis an die Zähne bewaffnet erscheinen und die Jungs bedrohen, wird es atemlos leise im Publikum.

Aber ach, obwohl alles so aufregend ist bei den Verlorenen Jungs in ihrer immerwährenden Kindheit, eines fehlt: eine Mutter! Eine Mutter, die ihnen Geschichten erzählt. Da soll nun Wendy ran. Nicht nur die Jungs haben Sehnsucht nach einer Mama. Seit Wendy bei ihnen ist, stellen ihnen die Piraten noch mehr nach, auch sie wollen eine Mutter haben. Hätten die Verlorenen Jungs, wenn sie die Welt vor ihrer Flucht etwas näher betrachtet hätten, doch gemerkt, daß der Zustand, in dem sie verharren wollen, genau dem der sogenannten erwachsenen Männer entspricht: ob das Vater Darling oder der Piratenkäpt'n Hook ist: alle wollen eine Mutter haben! Die sie tröstet, wenn sie sich fürchten.

Die Publikum-Kinder, von den Abenteuern in Atem gehalten, den witzigen Tanzeinlagen amüsiert und tief beeindruckt von all dem Bühnenzauber, sind am Ende so außer Rand und Band, daß sie klatschen und trampeln und so lange „Zugabe, Zugabe“ rufen, bis die Schauspieler des Stadttheaters noch einmal einen der Piratensongs singen.

Christine Spieß