ZDF und ARD auf Talfahrt zu den Ahnungslosen

Endlich ist es so weit — die unwissenden Menschen im weitgehend sächsischen Tal der Ahnungslosen bekommen nun eine Ahnung davon, was sie schon immer wählen wollten — ZDF. Weit abgeschlagen, mit vierzehntägigem Rückstand, treffen dann auch die ARD bei denen ein, die bisher nur in die ostdeutsche Röhre gucken durften. Wem sie aber diese ganze neue Fernsehfreiheit zu verdanken haben, nicht einmal das können die Ahnungslosen auch nur ahnen.

Nein, diesmal entschied kein junger, dynamischer Kanzler. Der hat neulich nur mit den ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten ein wenig übers Fernsehen diskutiert. Entschieden hat ein weit älterer Herr aus Bayern. Doch es ist nicht nur das hohe Alter, das ihn auszeichnet, sondern auch die Tatsache, daß er sich getrost zu den Opfern des Stalinismus zählen darf. Seine Botschaften, die er einst von München aus übers Fernsehen sandte, wurden von den östlichen Frequenzen einfach nicht an die Dresdner weitergeleitet. Er hatte sozusagen Berufsverbot in großen Teilen Sachsens, von Vorpommern gar nicht zu reden. Nun endlich reicht sein Arm dorthin, wohin sein Wort einst nicht gelangte.

Auch was Adlershof noch senden darf, das entscheidet der übrigens sehr frei gewählte Rundfunkbeauftragte für die östlichen Länder allein. Demokratisierung muß nun einmal schnell gehen, sonst hält sie die Freiheit nur auf. Wenn demokratische Gremien noch nicht gewählt sind, muß eben ein gelernter Einzeldemokrat die ganze Demokratie allein vollstrecken. Und er muß selbstverständlich auch jede Form von Diktatur ein für allemal verbieten, um sich jede Freiheit erlauben zu können.

Hatten da nicht einige unverbesserliche Fernsehdiktatoren ernstlich erwogen, das von Adlershof ausgestrahlte Programm O — also Ost — 3 zu nennen? Mußte da das Schwert des Demokraten nicht einfach dazwischenschlagen? Denn — und das weiß besser als ein Bayer — eine Ost- Identität (Verzeihung, ich hab die Gänsefüßchen vergessen!) gibt es ja gar nicht.

Hab' ich aufgeatmet, als ich erfuhr, daß das, was mir so zu schaffen macht — meine Identität nämlich — gar nicht existiert. Ich hab mir meine letzten vierzig Jahre nur eingebildet. Mich gibt's, wenn überhaupt, höchstens in Gänsefüßchen. Anführungsstriche unten — ich — Anführungsstriche oben, dank Herrn Mühlfenzel. Er war es genau, der uns die ganze Zeit gefehlt hat, in der wir so gefehlt haben. Doch nun ist er ja da — der eine Gesunde unter den sechzehn Millionen eingebildeten Kranken.

Wenn es nach seinem gesunden Menschenverstand geht — und nach wem sollte es sonst noch gehen —, werden wir nun endlich an einer freien Länderkette hängen. Sollten wir sie nicht gleich Mühlfrequenzel nennen? Peter Ensikat