Mehr Frauen, weniger Frauenpolitik

■ Größter Frauenanteil in der Geschichte des deutschen Bundestags/ Aber für die Grünen Feministinnen gibt es frauenpolitisch keinen Ersatz/ Beim Bündnis 90 nur eine „feministische Einzelkämpferin“

Berlin (taz) — Auch wenn der Anteil der Frauen im neuen Bundestag zum ersten Mal 20 Prozent erreicht — einen frauenpolitischen Aufschwung wird es nicht geben. Im Gegenteil. Beim Paragraph218 besteht mehr denn je die Gefahr, daß das westdeutsche Indikationenmodell gesamtdeutsch ausgedehnt wird.

Und mit den Westgrünen verabschiedet sich nicht nur die einzige mehrheitlich mit Frauen besetzte Fraktion, mit den Grünen verschwindet aus Bonn auch ein einmaliger feministischer „think-tank“. Damit werden wichtige Themen in der kommenden Legislaturperiode vermutlich wegfallen oder verwässert werden: die Kritik an Gen- und Reproduktionstechnologien, die Forderung nach Gleichstellung aller Lebensformen, das Antidiskriminierungsgesetz oder Thematisierung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Einen „großen Rückschlag“, befürchtet Claudia Pinl, Mitarbeiterin des AK Frauenpolitik der Grünen Fraktion. „Wenn die Grünen Feministinnen fehlen, werden die anderen Parteien bei der Frauenpolitik nachlassen.“

Insgesamt sitzen im neuen Bundestag 135 Frauen. Gegenüber der letzten Legislaturperiode (15,6 Prozent) steigerte sich ihr Anteil um knappe 5 Prozent. Nicht zuletzt dank dem zähen Bemühen von SPD-Politikerinnen, der vereinbarten 40-Prozent-Quote bis zum Jahr 2000 entgegenzuarbeiten. Immerhin sind bei den Sozis diesmal über 26 Prozent Frauen gegenüber 16 Prozent dabei. Herta Däubler-Gmelin schwelgte so auch in Selbstlob: „Die SPD-Frauen stehen prima da.“ Die CDU erhöhte ihren weiblichen Anteil von 8,1 auf 13,4 Prozent, die FDP von 14,5 auf 19 Prozent — wobei CDU und FDP in den östlichen Bundesländern auf den sicheren Listenplätzen deutlich weniger Frauen plazierten.

Obwohl sich die linke Opposition aus den Fünf Neuen Bundesländern (FNL) sich der 50-Prozent-Quote nicht explizit verschrieb, kommt sie ihr ziemlich nahe. Während für Die Grünen/Bündnis 90 fünf Männer und drei Frauen in Bonn einziehen, wartet die PDS mit 9 Männern und 8 Frauen auf. Aber mehr Frauen im Parlament machen bekanntlich noch keine bessere Frauenpolitik, und ein Ersatz für die westgrünen Frauen zeichnet sich nicht ab. Die PDS hat zwar die Gleichstellungspolitik auf ihre Fahnen geschrieben. Schließlich gehört das für eine „moderne, sozialistische und demokratische“ Partei heute zu den Essentials. Eine wirklich profilierte feministische Frauenpolitikerin gibt es unter den sieben weiblichen Abgeordneten jedoch keine. Auch wenn Petra Bläss, zweite auf der Berliner Landesliste, Mitglied im Unabhängigen Frauenverband (UFV) ist. Und bei den Grünen/Bündnis 90 sieht es kaum besser aus: Zu Christina Schenk, Feministin und Mitgründerin des UFV gesellinnen sich Ingrid Köppe und Vera Wollenberger, beides gestandene Politikerinnen, die aber zur Frauenpolitik bisher nichts beigetragen haben. Christina Schenk sieht daher ihrer Zukunft in Bonn als „Einzelkämpferin“ entgegen. „Von dieser Gruppe erwarte ich frauenpolitisch keine Solidarität“. uhe/lu