Das Fell des Berliner Bären wird verteilt

 ■ Aus Berlin Kordula Doerfler

Zwei Tage nach dem überraschenden Ausgang der Wahlen zum ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhaus herrscht im Schöneberger Rathaus verdächtige Ruhe. Wahlsieger Eberhard Diepgen (CDU) und der große Verlierer Walter Momper (SPD) ließen am Montag abend keinen Zweifel daran, daß alles auf eine große Koalition hinausläuft. Zwar hat CDU-Generalsekretär Landowsky am Montag angekündigt, man werde auch Gespräche mit der FDP und dem Bündnis 90 führen — auch eine solche Konstellation wäre rechnerisch denkbar. Der Spitzenkandidat vom Bündnis 90, Sebastian Pflugbeil, hat jedoch einer solchen Möglichkeit gestern nach der ersten gemeinsamen Sitzung mit den neuen AL-Abgeordneten aus dem Westteil der Stadt eine klare Absage erteilt.

Noch ehe die Verhandlungen über eine Elefantenhochzeit offiziell angelaufen sind, wird in den Hinterzimmern bereits heftig über Personalfragen gekungelt. Außerdem gibt es, ehe das Bündnis überhaupt besiegelt ist, schon die ersten Ausstiegsszenarien. Niemand kann sich derzeit vorstellen, daß eine große Koalition die ganze Legislaturperiode halten wird, gerechnet wird auf allen Seiten mit einem Zeitraum von etwa zwei Jahren bis zu Neuwahlen. Bis dahin, so hofft die schwer geschlagene SPD, sind die wichtigen Entscheidungen, etwa die Frage des Regierungssitzes, die Olympiabewerbung und das Auslaufen der Berlinförderung gefallen, ist die schwierige Übergangszeit für Berlin vorbei, mit der die große Koalition jetzt politisch gerechtfertigt wird.

Heftig spekuliert wird derzeit in Berlin über die Zusammensetzung des neuen Senats und über die politische Zukunft des Wahlverlierers. Walter Mompers strahlende Karriere, der sich in seinen geheimen Träumen schon als Lafontaine-Erbe sah und in allen 'Spiegel‘-Umfragen zu den beliebtesten Politikern der Republik zählt, ist mit dem katastrophalen Ergebnis der SPD in Berlin vorerst jäh beendet. Es gilt als ausgeschlossen, daß er unter einem Regierenden Bürgermeister Diepgen ein Senatorenamt erhält, allenfalls kann er sich noch Hoffnungen auf den Fraktionsvorsitz machen. Sollte der alte Fraktionschef Ditmar Staffelt aber wieder kandidieren wollen, haben sich Mompers Ambitionen von selbst erledigt. Möglicherweise muß er sich dann mit einem einfachen Abgeordnetenleben und dem Parteivorsitz begnügen. Eine Diskussion über diese Fragen soll auf einem Sonderparteitag am Wochenende geführt werden. Große Chancen rechnet sich dagegen Mompers Alter ego, der Oberbürgermeister von Ost-berlin, Tino Schwierzina, aus. Wegen des vergleichsweise guten Abschneidens im Ostteil der Stadt ist die Fraktion zur Hälfte mit Ostlern besetzt, obwohl die Partei nur einen Bruchteil der Mitglieder dort hat. Es ist durchaus möglich, daß die CDU ihn für ein Senatorenamt oder gar den Posten des Bürgermeisters hofieren wird.

Als sichere Kandidaten im künftigen Kabinett gelten Ex-Kultursenator Volker Hassemer (CDU), der diesmal das Umweltressort haben will, der kulturpolitische Sprecher der CDU und Uwe Lehmann-Brauns für das Amt des Kultursenators. Spannend wird die Besetzung des Innenressorts, das die CDU für sich beanspruchen wird. Für den Ex-Innensenator Erich Pätzold wird es dann keinen Platz mehr geben. Ins Gespräch gebracht hat sich ebenfalls ein Rückkehrer, Rechtsaußen Heinrich Lummer, der aber von der SPD kaum akzeptiert werden kann. Die Verhandlungen zwischen SPD und CDU versprechen hart und spannend zu werden, ist doch diesmal die SPD in der Position, „Kröten“ schlucken zu müssen, die in der Vorgängerregierung die AL übernehmen mußte.