Das Trauma der Sonne

■ »Wegen dieses Krieges« — Ein Dokumentarfilm von Orna Ben-Dor Niv

Jedesmal, wenn die Schule zu Ende war, rannte ich los und suchte die Kinder. Ich hatte Angst, sie könnten plötzlich verschwinden, so wie meine erste Familie...« Jacko ist Überlebender von Auschwitz. Sein Sohn Yehuda Poliker und dessen Freund Yaakow Gilead, der ebenfalls aus einer von der Shoah betroffenen Familie kommt, berichten im israelischen Dokumentarfilm Biglal ha'Milchama ha'Hi (»Wegen dieses Krieges«, 1988), der im Rahmen einer Reihe von Dokumentar- und Spielfilmen aus Nahost im Haus der Kulturen der Welt zu sehen ist, über ihre Traumata als Söhne von Überlebenden.

Yaakow Gilead und Yehuda Poliker, beide etwa Mitte dreißig, spielten jahrelang in der bekannten israelischen Rockgruppe »Benzin«, bevor sie begannen, die Geschichten und Erfahrungen ihrer Eltern und ihre eigenen musikalisch zu verarbeiten. Die Regisseurin Orna Ben-Dor Niv blendet zwischen Bühnenaufnahmen, Interviews mit den Musikern und Interviews mit den Eltern hin und her. Auch die Mutter Yaakow Gileads, die Schriftstellerin Halina Birnbaum, war in Majdanek und später in Auschwitz. Halina Birnbaum, eine starke und sensible Frau, schöpft ihre Lebenskraft daraus, anderen ihre Geschichte zu übermitteln. Man sieht sie bei einem Vortrag vor israelischen Schülern, wo sie sich noch einmal in die Dreizehnjährige verwandelt, die im Lager von ihrer Mutter getrennt wurde. Hinterher sagt sie: »Wenn ich mit ihnen spreche, fühle ich mich stark. Ich spüre, daß sie mitfühlen, und das hilft mir.« Andererseits: »Und doch weiß ich, daß ich eine verborgene Ecke in mir habe, zu der keiner Zutritt hat. Man kann eine solche Geschichte nie ganz verstehen.«

Daß sie ihrem einzigen Sohn Yaakow schon mit zwei Jahren von seiner toten Familie erzählte, hält Halina Birnbaum für ganz normal. Yaakow Gilead sagt: »Ich stellte früh Fragen — und ich bekam Antworten. Die Geschichte meiner Mutter war immer präsent. Manchmal, wenn ich eine schlechte Note bekam, sagte sie: Und deshalb bin ich aus Auschwitz rausgekommen — um dich so zu erleben?«

Orna Ben-Dor Niv zeichnet ein umfassendes Bild von beiden Familien, von den Ängsten Jackos, auch seine zweite Familie zu verlieren, von den Eltern, die sich an ihre Kinder klammern, und von den Söhnen, die noch heute ein schlechtes Gewissen haben, daß sie von zu Hause ausgezogen sind. Die Texte, die sie singen, sind nur teilweise ihre eigenen. Bei einigen Liedern spürt man deutlich, daß »die Bahnstation in Treblinka« für Kinder und Eltern etwas völlig anderes bedeutet. Yaakow Gilead sagt: »Immer mußte ich sie (Mutter) verteidigen, auf Kosten meiner Gefühle. Ich verdränge es und identifiziere mich mit ihr...« Ayala Goldmann

Wegen dieses Krieges , »Israels populärster Dokumentarfilm« (so die Regisseurin) läuft noch einmal am 12.12. um 20 Uhr.